Paul

Darf ich vorstellen: Das ist Paul!

Zeichnung eines Jungen, der auf seinem Fahrrad durch einen Wald fährt. Begleitet wird er von einem kleinen Hund.

Paul sieht aus wie alle Jungen seines Alters. Vielleicht ist er etwas kleiner und dünner als die meisten. Doch das ist relativ.

Paul liebt Musik, Fahrrad fahren, Computerspiele, Chips und Schokolade.

Pauls Eltern sind nicht seine leiblichen Eltern. Da Pauls Bauch-Mama mit Pauls Versorgung überfordert war, wurde Paul bereits wenige Wochen nach seiner Geburt vom Jugendamt in Obhut genommen.

Die ersten zwei Jahre seines Lebens hat Paul in einem Kinderheim gelebt. Danach zog er bei seinen Pflegeeltern ein.

Bis heute kann Paul schlecht schlafen. Er hat oft Alpträume.

Paul erzählt gerne, ist höflich und liebt es, andern zu helfen.

Paul kann sich die wildesten Geschichten ausdenken und hat immer eine gute Idee.

Paul verliert schnell die Geduld und die Übersicht. Außerdem merkt er oft nicht, wenn sein Körper Hunger hat oder friert.

Bei einer Sache zu bleiben fällt Paul schwer. Oft vergisst er Dinge. Das fängt bereits beim Anziehen an. Seine Pflegemutter muss ihn dann immer wieder daran erinnern, mit dem Anziehen weiter zu machen.

Wenn die Dinge nicht so laufen, wie Paul es sich vorstellt oder gewohnt ist, wird er oft sehr, sehr wütend. Früher hat er dann wild um sich geschlagen, gebrüllt und getreten. Inzwischen schimpft er meist nur noch.

Pauls Pflegeeltern haben sich lange Sorgen gemacht, was mit Paul los ist. Oft haben sie sich gefragt, was sie falsch machen.

Inzwischen wissen Paul und seine Pflegeeltern: Paul hat FASD.

Einige Teile in Pauls Gehirn sind nicht richtig verschaltet. Sie wurden durch Alkohol geschädigt, als Paul noch im Bauch seiner leiblichen Mutter war. Das lässt sich nicht mehr ändern. Auch nicht durch Medizin.

Betroffen ist vor allem Pauls Frontalhirn.

Das Frontalhirn ist für die Fähigkeiten zuständig, die für die Kontrolle und Selbstregulierung des eigenen Verhaltens erforderlich sind. Wissenschaftler nennen das die Exekutivfunktionen.

Exekutivfunktionen werden für alle alltagspraktischen Fähigkeiten gebraucht. Zum Beispiel beim Anziehen, beim Tisch decken oder bei der Unterscheidung zwischen Wichtigem und Unwichtigem.

Menschen, deren Exekutivfunktionen gestört sind, sind meistens ein Leben lang auf Unterstützung im Alltag angewiesen.

Ausreichende Unterstützung kann Paul dabei helfen, mit sich und andern gut klar zu kommen.

Innenansicht eines Gehirns

Paul gibt es nicht wirklich. Paul habe ich mir ausgedacht.

Allerdings: In Paul findet sich vieles von dem, was ich mit Kindern mit FASD erlebt habe. Oder von dem mir Eltern von Kindern mit FASD erzählt haben.

Daher könnte man auch sagen: Es gibt nicht einen Paul, sondern viele Pauls und auch Paulas in Hamburg.

Neue Untersuchungen zeigen: Unter 100 Kindern in englischen Grundschulen weisen 1 bis 3 Kinder deutliche Merkmale von FASD auf. Für Nordamerika geht man inzwischen davon aus, dass 4 von 100 Kindern FASD haben. Das ist 1 Kind in jeder Schulklasse!

Für Deutschland fehlt bislang verlässliches Datenmaterial. Lange wurde geschätzt, dass sich unter 100 Kindern in Deutschland 1 Kind mit FASD finden lässt. Es ist zu befürchten, dass diese Schätzung zu niedrig angesetzt ist.

In meinem Blog werde ich Ihnen von nun an immer einmal wieder von Paul berichten.