Die GEW Hamburg ignoriert das Menschenrecht auf inklusive Bildung!

In Hamburg ist Wahlkampf.

Es geht um die Bundestagswahl im Februar und um die Bürgerschaftswahl Anfang März.

Was die Bürgerschaftswahl angeht, hat sich die Hamburger Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW Hamburg) vor kurzem klar positioniert.

In einer Liste von Leitlinien stellt sie ihre bildungspolitischen Forderungen an die Hamburger Parteien vor.

Das erschreckende daran:

Die GEW Hamburg ignoriert das Menschenrecht auf inklusive Bildung!

Ein Schiedsrichter in einem Fußballspiel zeigt die rote Karte.

Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich Bund und Länder dazu verpflichtet, Bildung und Schule in Deutschland inklusiv zu gestalten.

Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das deutsche Institut für Menschenrechte haben mehr als einmal klargestellt:

Sonderschulen sind nicht vereinbar mit dem Menschenrecht auf inklusive Bildung und müssen abgeschafft werden.

Trotzdem fordert die GEW Hamburg, Sonderschulen als „wertvolle und gleichwertige Bestandteile des Schulsystems“ nicht nur zu erhalten, sondern auch zu stärken.

Was hier gefordert wird, macht mich fassungslos.

Es verstößt gegen das Menschenrecht auf inklusive Bildung.

Und ist unvereinbar mit unserem Grundgesetz.

Das Grundgesetz sagt:

Kein Mensch darf wegen einer Behinderung benachteiligt werden.

Durch den Besuch einer Sonderschule werden Kinder und Jugendliche mit Behinderungen strukturell benachteiligt.

Das ist wissenschaftlich belegt.

Die meisten jungen Menschen, die in Sonderschulen beschult werden, verlassen die Schule ohne einen Abschluss und beginnen eine Ausbildung in einer Sondereinrichtung.

Zum Beispiel in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Hier verdienen sie deutlich weniger Geld.

Im Anschluss haben sie kaum Chancen auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die meisten von ihnen bleiben ein Leben lang „aussortiert“.

Auch in Hamburg verlässt der Großteil aller Schülerinnen und Schüler die Sonderschulen ohne einen Abschluss.

Generell ist an den meisten Hamburger Sonderschulen entweder gar kein oder nur ein erster allgemeinbildender Schulabschluss möglich.

Das Abitur ist an Sonderschulen grundsätzlich nicht möglich.

Ein Diagramm auf einer grünen Schultafel zeigt die erreichten Abschlüsse von Hamburgs Sonderschülern im Schuljahr 2022/23. 84 Prozent der Schülerinnen und Schüler verließen die Sonderschule ohne einen Abschluss, 13 Prozent mit einem Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss und 3 Prozent mit einem Mittleren Schulabschluss.
Quelle: Das Schuljahr 2023/24 in Zahlen, Hamburg 2024.

Doch zurück zu den bildungspolitischen Leitlinien der GEW Hamburg.

Neben der Stärkung der Sonderschulen fordert die GEW Hamburg in ihren Leitlinien auch eine „inklusive“ Schule als „Eine Schule für alle“.

Allerdings soll diese „Schule für alle“ ausschließlich die unterschiedlich begabten Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschulen und Gymnasien zusammenführen.

Schülerinnen und Schüler der Sonderschulen bleiben außen vor.

Mit dieser Reduzierung verlässt die GEW Hamburg die gemeinsamen Positionen des Bildungs-Bündnisses „Eine für alle – Die inklusive Schule für die Demokratie“, dessen Mitglied sie eigentlich ist.

Dieses Bündnis war 2016 angetreten mit der Forderung nach einer Schule für alle, in der Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden.

Ein Jahr später beschloss die große Mehrheit aller Delegierten des 28. Gewerkschaftstag der GEW in Freiburg:

Es gibt keine Alternative zur Inklusion„.

„Das Parallelsystem von Förder-/Sonderschulen und allgemeinen Schulen ist schrittweise aufzuheben. Der Transformationsprozess in eine inklusive Schule ist in den
Schulgesetzen aller Bundesländer zu verankern.“

Acht Jahre später scheint das die GEW Hamburg nur noch wenig zu interessieren.

Ich frage mich:

Wie kann es sein, dass die GEW Hamburg im Jahr 2025 Heterogenität und Vielfalt als große Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit bezeichnet?

Und gleichzeitig Schülerinnen und Schüler „mit besonderem und umfassendem Förderbedarf“ von dieser Bildungsgerechtigkeit ausschließt?

Jeder junge Mensch hat besondere Fähigkeiten und Talente, von denen alle profitieren können.

Wann wandeln sich „unterschiedliche Begabungen und Talente“ in einen „umfassenden Förderbedarf“?

Wer entscheidet darüber, ob ein Kind inklusiv beschult wird oder die Sonderschule besucht?

In Hamburg ist man stolz auf das Elternwahlrecht, an dem Senat und Schulbehörde nach wie vor festhalten.

Allerdings ist das Menschenrecht auf Bildung kein Recht der Eltern, sondern ein Recht des Kindes!

Der Staat steht in der Verantwortung, jedem Kind den gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu ermöglichen.

Pflege und Erziehung von Kindern ist das natürliche Recht der Eltern.

Aufgabe des Staates ist es, Kindern alle Lebensbedingungen zu sichern, die für ein gesundes Aufwachsen und eine freie Entfaltung der Persönlichkeit  erforderlich sind.

Dazu zählt auch der gleichberechtigte Zugang zu Bildung.

Darum gibt es in Deutschland die allgemeine Schulpflicht.

Im Vordergrund des Bildes sieht man einen gelben Poller zum Festmachen von Schiffen. Im Hintergrund sieht man blau die Elbe leuchten.

Interessant ist auch, dass es gerade die GEW Hamburg ist, die bildungspolitisch die Rolle rückwärts vollzieht und eine Stärkung von Sonderschulen fordert.

Nach wie vor gilt Hamburg als Vorbild für eine gelingende schulische Inklusion.

Blickt man allerdings etwas genauer hin, stellt man schnell fest:

Nach wie vor gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.

Die meisten Kinder und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen werden hier unterrichtet.

Eine Änderung daran ist nicht in Sicht.

Und scheint nun auch von Seiten der Gewerkschaft GEW Hamburg nicht mehr länger gewollt.

Das ist für mich ein Armutszeugnis im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte.

Das Bild zeigt die Beine eines Menschen in kurzer heller Hose, die über einem Gewässer baumeln. Der Mensch trägt rote Turnschuhe.