Es geht um die Bundestagswahl im Februar und um die Bürgerschaftswahl Anfang März.
Was die Bürgerschaftswahl angeht, hat sich die Hamburger Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW Hamburg) vor kurzem klar positioniert.
In einer Liste von Leitlinien stellt sie ihre bildungspolitischen Forderungen an die Hamburger Parteien vor.
Das erschreckende daran:
Die GEW Hamburg ignoriert das Menschenrecht auf inklusive Bildung!
Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich Bund und Länder dazu verpflichtet, Bildung und Schule in Deutschland inklusiv zu gestalten.
Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das deutsche Institut für Menschenrechte haben mehr als einmal klargestellt:
Sonderschulen sind nicht vereinbar mit dem Menschenrecht auf inklusive Bildung und müssen abgeschafft werden.
Trotzdem fordert die GEW Hamburg, Sonderschulen als „wertvolle und gleichwertige Bestandteile des Schulsystems“ nicht nur zu erhalten, sondern auch zu stärken.
Es verstößt gegen das Menschenrecht auf inklusive Bildung.
Und ist unvereinbar mit unserem Grundgesetz.
Das Grundgesetz sagt:
Kein Mensch darf wegen einer Behinderung benachteiligt werden.
Durch den Besuch einer Sonderschule werden Kinder und Jugendliche mit Behinderungen strukturell benachteiligt.
Das ist wissenschaftlich belegt.
Die meisten jungen Menschen, die in Sonderschulen beschult werden, verlassen die Schule ohne einen Abschluss und beginnen eine Ausbildung in einer Sondereinrichtung.
Zum Beispiel in einer Werkstatt für behinderte Menschen.
Hier verdienen sie deutlich weniger Geld.
Im Anschluss haben sie kaum Chancen auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Die meisten von ihnen bleiben ein Leben lang „aussortiert“.
Auch in Hamburg verlässt der Großteil aller Schülerinnen und Schüler die Sonderschulen ohne einen Abschluss.
Generell ist an den meisten Hamburger Sonderschulen entweder gar kein oder nur ein erster allgemeinbildender Schulabschluss möglich.
Das Abitur ist an Sonderschulen grundsätzlich nicht möglich.
Quelle: Das Schuljahr 2023/24 in Zahlen, Hamburg 2024.
Doch zurück zu den bildungspolitischen Leitlinien der GEW Hamburg.
Neben der Stärkung der Sonderschulen fordert die GEW Hamburg in ihren Leitlinien auch eine „inklusive“ Schule als „Eine Schule für alle“.
Allerdings soll diese „Schule für alle“ ausschließlich die unterschiedlich begabten Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschulen und Gymnasien zusammenführen.
Schülerinnen und Schüler der Sonderschulen bleiben außen vor.
Dieses Bündnis war 2016 angetreten mit der Forderung nach einer Schule für alle, in der Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden.
Ein Jahr später beschloss die große Mehrheit aller Delegierten des 28. Gewerkschaftstag der GEW in Freiburg:
„Das Parallelsystem von Förder-/Sonderschulen und allgemeinen Schulen ist schrittweise aufzuheben. Der Transformationsprozess in eine inklusive Schule ist in den Schulgesetzen aller Bundesländer zu verankern.“
Acht Jahre später scheint das die GEW Hamburg nur noch wenig zu interessieren.
Wie kann es sein, dass die GEW Hamburg im Jahr 2025 Heterogenität und Vielfalt als große Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit bezeichnet?
Und gleichzeitig Schülerinnen und Schüler „mit besonderem und umfassendem Förderbedarf“ von dieser Bildungsgerechtigkeit ausschließt?
Jeder junge Mensch hat besondere Fähigkeiten und Talente, von denen alle profitieren können.
Wann wandeln sich „unterschiedliche Begabungen und Talente“ in einen „umfassenden Förderbedarf“?
Wer entscheidet darüber, ob ein Kind inklusiv beschult wird oder die Sonderschule besucht?
In Hamburg ist man stolz auf das Elternwahlrecht, an dem Senat und Schulbehörde nach wie vor festhalten.
Allerdings ist das Menschenrecht auf Bildung kein Recht der Eltern, sondern ein Recht des Kindes!
Der Staat steht in der Verantwortung, jedem Kind den gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Pflege und Erziehung von Kindern ist das natürliche Recht der Eltern.
Aufgabe des Staates ist es, Kindern alle Lebensbedingungen zu sichern, die für ein gesundes Aufwachsen und eine freie Entfaltung der Persönlichkeit erforderlich sind.
Dazu zählt auch der gleichberechtigte Zugang zu Bildung.
Darum gibt es in Deutschland die allgemeine Schulpflicht.
Interessant ist auch, dass es gerade die GEW Hamburg ist, die bildungspolitisch die Rolle rückwärts vollzieht und eine Stärkung von Sonderschulen fordert.
Nach wie vor gilt Hamburg als Vorbild für eine gelingende schulische Inklusion.
Blickt man allerdings etwas genauer hin, stellt man schnell fest:
Nach wie vor gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.
Die meisten Kinder und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen werden hier unterrichtet.
Eine Änderung daran ist nicht in Sicht.
Und scheint nun auch von Seiten der Gewerkschaft GEW Hamburg nicht mehr länger gewollt.
Das ist für mich ein Armutszeugnis im Hinblick auf Demokratie und Menschenrechte.
Zwei Jahre lang haben Erziehungswissenschaftler der Universität Oldenburg zur Schulbegleitung in Hamburg geforscht.
Ihr Abschlussbericht ermöglicht erstmals umfassende Einblicke in die formalen Strukturen und die tatsächliche Umsetzung von Schulbegleitung in unserer Stadt.
Doch was genau haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich herausgefunden?
1. Die rechtlichen Regelungen in Hamburg sehen Schulbegleitung als nachrangige Leistung der Eingliederungshilfe – nicht als Bildungsangebot.
Hamburgs Schulen haben den Auftrag, die Teilhabe an Bildung und Erziehung für alle Schülerinnen und Schüler sicherzustellen.
Und zwar durch ein individualisiertes Bildungsangebot verbunden mit entsprechenden Maßnahmen.
Reichen die schulischen Angebote und Maßnahmen im Einzelfall nicht aus, kann eine Schulbegleitung beantragt werden.
In Behördensprache heißt das: Die Schulbegleitung ist immer nachrangig.
Eine Schulbegleitung soll es dem einzelnen Schüler ermöglichen, gleichberechtigt am schulischen Alltag und Unterricht teilzunehmen.
Schulbegleitung ist also in erster Linie ein Mittel zur Teilhabe – kein Bildungsangebot.
Das wird oft missverstanden.
Eigentlich ist Schulbegleitung eine personengebundene Leistung der Eingliederungshilfe.
Nämlich im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe an Bildung.
Allerdings hat die Stadt Hamburg die Zuständigkeit für diese Leistung an die Behörde für Schule und Bildung übertragen.
2. Es gibt in Hamburg zwei unterschiedliche Verfahren zur Beantragung und Bewilligung von Schulbegleitung.
Was Schulbegleitung angeht, unterscheidet Hamburg zwischen Schülerinnen und Schülern mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen.
Und Schülerinnen und Schülern mit erheblichem oder umfassendem Unterstützungsbedarf in der geistigen und/oder körperlich-motorischen Entwicklung.
In die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung fallen alle jungen Menschen, die einen sonderpädagogischen Förderschwerpunkt in der emotional-sozialen Entwicklung haben. Viele von ihnen haben zusätzlich den Förderschwerpunkt Lernen.
In die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit erheblichem oder umfassendem Unterstützungsbedarf aufgrund einer Behinderung fallen junge Menschen mit einem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung und/oder geistige Entwicklung,
Bei Schülerinnen und Schülern mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung erfolgt die Beantragung und Bewilligung der Schulbegleitung über die Schulen und die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ).
Bei Schülerinnen und Schülern mit einem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung und/oder geistige Entwicklung ist die Fachabteilung der Behörde für Schule und Bildung zuständig.
Beide Antrags- und Bewilligungsverfahren werden von vielen Eltern und Lehrkräften als zu aufwendig und wenig transparent beschrieben.
Oft können getroffene Entscheidungen nicht nachvollzogen werden.
3. Die Zahl der Schulbegleitungen ist seit Einführung der schulischen Inklusion in Hamburg enorm gestiegen.
Im Schuljahr 2011/12 wurden in Hamburg rund 460 Schulbegleitungen bewilligt.
Im Schuljahr 2016/17 waren es bereits 1.874 Schulbegleitungen.
Im Schuljahr 2022/23 hatten 2.520 Schülerinnen und Schüler eine Schulbegleitung.
Im Schuljahr 2023/2024 stieg die Zahl der Schulbegleitungen auf 2.608.
Die Zahl der Schulbegleitungen in Hamburg hat sich innerhalb der letzten 12 Jahre also mehr als verfünffacht.
Noch bis 2022 hatten Schüler mit psychosozialen Beeinträchtigungen deutlich häufiger eine Schulbegleitung als Schüler mit Behinderungen.
Inzwischen ist die Zahl der Schulbegleitungen bei beiden Gruppen gleich hoch.
4. Schulbegleitungen werden in Hamburg hauptsächlich im laufenden Unterricht eingesetzt.
Bei der überwiegenden Mehrheit aller Kinder und Jugendlichen mit Schulbegleitung erfolgt die Unterstützung im laufenden Unterricht.
Bei Klassenfahrten und außerschulischen Maßnahmen (wie zum Beispiel Schwimmunterricht, Betriebspraktikum oder Ferienbetreuung) kommen Schulbegleitungen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz.
Das gleiche gilt für die Ganztagsbetreuung und den Schulweg.
5. Eine Schulbegleitung dauert in der Regel zwei Jahre.
Die Dauer einer Schulbegleitung beträgt in Hamburg meist zwei Jahre.
Nur in absoluten Ausnahmefällen erstreckt sich eine Schulbegleitung über die gesamte Schulzeit eines Schülers.
Was den Umfang einer Schulbegleitung und die Gültigkeitsdauer des Bewilligungsbescheides angeht, zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Schülern mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung und Schülern mit Behinderung.
Einem Schüler mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung werden in der Regel 10 Stunden Schulbegleitung pro Woche bewilligt.
Meistens ist die Bewilligung zeitlich befristet. Und zwar auf 3 bis 6 Monate. Allerdings wird sie in der Regel mehrfach verlängert.
Ein Schüler mit Behinderung dagegen erhält im Durchschnitt 20 Stunden Schulbegleitung pro Woche.
Außerdem wird hier die Schulbegleitung jeweils für ein ganzes Schuljahr bewilligt. Eine Verlängerung über ein weiteres Schuljahr ist üblich.
6. Schulbegleitungen finden sowohl in Regelschulen wie auch in Sonderschulen statt.
Obwohl Hamburg gerne die inklusive Zielsetzung von Schulbegleitung betont, bedeutet der Erhalt einer Schulbegleitung nicht automatisch, dass ein Schüler inklusiv beschult wird.
Jede dritte Schulbegleitung in Hamburg findet an einer Sonderschule statt.
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den zwei ermittelten Schülergruppen.
Schulbegleitungen für Schülerinnen und Schüler mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen finden überwiegend an Grundschulen und Stadtteilschulen statt.
Hier unterstützt die Schulbegleitung also tatsächlich bei der inklusiven Beschulung.
Mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen, die Schulbegleitung erhalten, besucht eine Sonderschule.
Nur jede vierte Schulbegleitung findet an einer Grundschule statt, nur jede fünfte an einer Stadtteilschule.
Schulbegleitungen bei jungen Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen unterstützten also vor allem das Sondersystem und nicht die Inklusion.
An Gymnasien findet Schulbegleitung so gut wie nicht statt.
7. In Hamburg arbeiten sowohl junge Menschen in Freiwilligendiensten wie auch ausgebildete Fachkräfte als Schulbegleitung.
Bei der Bestellung einer Schulbegleitung unterscheidet Hamburg zwischen vier verschiedenen Anforderungsstufen.
Nämlich:
jungen Menschen in Freiwilligendiensten,
sozial erfahrenem Personal,
pädagogisch, pflegerisch oder therapeutisch ausgebildetem Personal und
sozialpädagogisch ausgebildetem Personal.
Innerhalb der einzelnen Anforderungsstufen fehlt es an verbindlichen Vorgaben, welche konkreten Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen angehende Schulbegleitungen mitbringen sollten.
Ganz besonders gilt das für das Anforderungskriterium „sozial erfahren“, bei dem sich quasi so gut wie alles unterbringen lässt.
Bei den meisten Schülerinnen und Schülern mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungenkommen „sozial erfahrene“ Schulbegleitungen zum Einsatz.
Gut jeder vierte Schüler mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung hat eine pädagogisch, pflegerisch oder therapeutisch ausgebildete Schulbegleitung. Meist sind das Erzieherinnen und Erzieher.
Nur selten werden Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen als Schulbegleitung eingesetzt, noch seltener junge Menschen in Freiwilligendiensten.
Ganz anders sieht es bei Schülerinnen und Schülern mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung aus.
Hier kommen überwiegend junge Menschen in Freiwilligendiensten zum Einsatz.
Bei nur jedem vierten Schüler mit Behinderung gilt die Schulbegleitung als sozial erfahrene Kraft.
Schulbegleitungen mit einer pädagogischen, pflegerischen, therapeutischen oder gar sozialpädagogischen Ausbildung bleiben bei Schülerinnen und Schülern mit Behinderung die Ausnahme.
8. Hamburgs Schulbegleitungen sind nicht bei einer Schule angestellt, sondern bei externen Leistungsanbietern.
Benötigt ein Schüler eine Schulbegleitung, meldet seine Schule den Bedarf bei einem externen Leistungsanbieter an.
Der Leistungsanbieter sucht eine für den Schüler geeignete und ausreichend qualifizierte Schulbegleitung und stellt sie der Schule zur Verfügung.
Angestellt bleibt die Schulbegleitung beim Leistungsanbieter.
Der Arbeitsvertrag einer Schulbegleitung ist meist auf wenige Monate bis maximal ein Schuljahr befristet.
Geht ein Schüler wegen Krankheit oder Ferien nicht zur Schule, erhält die Schulbegleitung oftmals kein Geld.
Diese Rahmenbedingungen machen die Arbeit als Schulbegleitung wenig attraktiv.
Im Schuljahr 2018/2019 gab es in Hamburg 88 verschiedene Leistungsanbieter für Schulbegleitungen.
Etwas mehr als die Hälfte von ihnen bot ausschließlich Schulbegleitungen für Kinder und Jugendliche mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen an.
9. Die Hamburger Schulbehörde führt eine umfangreiche Datenbank zur Schulbegleitung.
Seit dem Schuljahr 2016/2017 werden in Hamburg alle Anträge auf Schulbegleitung in einer Datenbank erfasst.
Diese Datenbank enthält Angaben:
über das für die beantragte Schulbegleitung zuständige Regionale Bildungs- und Beratungszentrum (einschließlich Bezirk),
über das Geschlecht, die Schulform, die Schule und die Klassenstufe der Schüler, für die Schulbegleitung beantragt wird,
über den vorrangigen sonderpädagogischen Förderbedarf und den weiteren sonderpädagogischen Förderbedarf der Schüler,
über das Schuljahr und das Anfragedatum,
über die rechtlichen Grundlagen der Schulbegleitung,
darüber, ob der Antrag auf Schulbegleitung bewilligt oder abgelehnt wurde,
über den Stundenumfang, die Förderdauer und das Kostensatzniveau der bewilligten Schulbegleitung.
über den Leistungsanbieter der Schulbegleitung sowie
über die Qualifizierung und Qualifikation der Schulbegleitung.
Mit dieser Datenbank verfügt Hamburg – anders als die meisten Bundesländer – über eine gute Datenbasis und Berichterstattung zur Schulbegleitung.
10. Schulbegleitungen sind meistens weiblich und ansonsten sehr verschieden.
Die Gruppe der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter in Hamburg ist äußerst heterogen.
Die Altersspanne bei Schulbegleitungen beginnt mit der Volljährigkeit und reicht bis ins Rentenalter.
Es gibt Schulbegleitungen mit Abitur und Hochschulabschluss.
Und Schulbegleitungen ohne Ausbildung.
Ein Teil der Schulbegleiter ist pädagogisch ausgebildet.
Andere haben zuvor noch nie im pädagogischen Bereich gearbeitet.
Nur eins haben Hamburgs Schulbegleitungen gemeinsam: Sie sind meistens weiblich.
11. Vieles in Sachen Schulbegleitung ist in Hamburg nicht ausreichend geklärt.
Die Studie der Universität Oldenburg hat deutlich gemacht: Vieles in Sachen Schulbegleitung ist in Hamburg nicht ausreichend geklärt.
Das betrifft vor allem
die Auswahl und Qualifikation von Schulbegleitungen,
die Einarbeitung und Weiterbildung von Schulbegleitungen,
das Vertretungssystem für Schulbegleitungen,
die Aufgaben und Tätigkeitsfelder von Schulbegleitung,
die Ziele und Zielgruppen von Schulbegleitung sowie
die Rolle und Stellung von Schulbegleitung im Gesamtsystem Schule.
Durch diese Unklarheiten haben sich sehr unterschiedliche Erwartungshaltungen an Schulbegleitung entwickelt, die im schulischen Alltag zu oft nicht erfüllt werden.
Das führt zu einer großen Unzufriedenheit. Und zwar auf allen Seiten.
Viele Lehrerinnen und Lehrer empfinden Schulbegleitung inzwischen als Belastung. Sie wünschen sich eine deutlich bessere Vorbereitung und Fachlichkeit bei Schulbegleitern.
Viele Eltern sind enttäuscht bis verärgert, weil sie ihre Kinder nicht ausreichend unterstützt und gefördert sehen. Sie hatten gehofft, durch eine Schulbegleitung nähmen ihre Kinder endlich an Bildung teil.
Viele Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter fühlen sich überfordert und zu wenig wertgeschätzt. Ihnen fehlt eine längerfristige Perspektive. Viele von ihnen geben schnell wieder auf.
Zu viele Schülerinnen und Schüler nehmen nach wie vor nur eingeschränkt bis gar nicht am Unterricht teil, wenn ihre Schulbegleitung fehlt.
Die große Unzufriedenheit über Schulbegleitung führt inzwischen sogar dazu, dass manche die schulische Inklusion in Hamburg insgesamt in Frage stellen oder gar für gescheitert erklären.
Genau das bringt uns zum Kern des eigentlichen Problems.
Schulbegleitung allein macht noch keine Inklusion.
Schulbegleitung ist „nur“ das Hilfsmittel, damit ein Schüler mit Beeinträchtigung gleichberechtigt am Unterricht teilnehmen kann.
Wenn eine Schule ein gutes, individualisiertes Unterrichtsangebot hat, kann eine Schulbegleitung auch gut unterstützen.
Der Hamburger Senat betont oft und gerne, wie erfolgreich die schulische Inklusion in der Hansestadt sei.
Rhetorisch mag das vielleicht überzeugen. Wissenschaftlich belegt ist es nicht.
Leider versäumt es die Evaluation der Universität Oldenburg, neben der Schulbegleitung auch die inklusive Schulentwicklung in Hamburg genauer zu untersuchen.
Ja, es gibt in Hamburg inklusive Schulen, die sehr erfolgreich sind.
Am 6. September tagte der Hamburger Schulausschuss.
In einer öffentlichen Sitzung im Rathaus ging es um den Stand der Inklusion in Hamburgs Schulen.
Sechs Experten waren geladen.
Aus den Bereichen Schule, Wissenschaft, Sonderpädagogik, Zivilgesellschaft und Elternvertretung.
So sollte eine fachlich fundierte und differenzierte Diskussion ermöglicht werden.
Tatsächlich ging es in der gesamten Sitzung sehr fachlich zu.
Viele wichtige Aspekte wurden behandelt.
Und es gab viele kluge Fragen und Antworten.
Hamburg wurde gelobt für sein klares Bekenntnis zur Inklusion.
Und für die Fortschritte, die die Stadt im Bereich der schulischen Inklusion bereits erzielt habe.
Hamburg wurde aber auch aufgefordert, in Sachen Inklusion nicht stehen zu bleiben.
Denn trotz der vielen Ressourcen, die Hamburg in den letzten Jahren in den inklusiven Umbau seines Schulsystems investiert hat, arbeiten noch längst nicht alle Schulen inklusiv.
Eins allerdings wurde in der gesamten Debatte außer acht gelassen.
Nämlich die Frage:
Was bedeutet eigentlich Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention?
Und was genau heißt das für Schulen?
Beider Staatenprüfung vor einem Jahr in Genf hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehr deutlich erklärt:
Deutschland hält nach wie vor an seinen Sondersystemen für Menschen mit Behinderungen fest.
Damit verstößt Deutschland gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Auch Hamburg hat nach wie vor ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.
Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen (einschließlich der Bildungsabteilungen an den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren) und 5 privaten Sonderschulen.
Dass dieses Sondersystem nicht vereinbar ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention, dazu gab es in der gesamten Sitzung kein einziges Wort.
Weder von den geladenen Experten noch von den Mitgliedern des Schulausschusses.
Im Gegenteil:
Einige Experten lobten ausdrücklich „Hamburgs großartiges Elternwahlrecht“.
Dabei haben das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention in Berlin längst klar gemacht:
Ein Elternwahlrecht ist nicht vereinbar mit der UN-Behindertenrechtskonvention.
Wenn, dann dürfte es höchstens ein Schülerwahlrecht geben.
Und das auch nur, wenn Schülerinnen und Schüler tatsächlich eine echte Wahlfreiheit haben.
Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wurde auch die Sicht auf Behinderung neu definiert.
Nicht mehr ein Mensch an sich ist behindert.
Sondern ein Mensch wird behindert.
Und zwar durch das Wechselspiel von individuellen Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren.
Diese menschenrechtliche Sicht auf Behinderung wurde in der gesamten Ausschuss-Sitzung viel zu selten berücksichtigt.
Dabei hat sie entscheidende Konsequenzen für die Umsetzung von inklusiver Bildung.
Es geht nämlich nicht mehr länger darum, welche Beeinträchtigungen und Defizite ein Kind hat.
Sondern es geht um die Frage:
Was braucht ein Kind, um bestmöglich an Bildung teilhaben zu können?
Diese Frage muss für jedes Kind gestellt werden. Und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder eben einer Behinderung.
Denn:
Inklusion unterscheidet nicht mehr nach Kategorien und Gruppen. Inklusion bezieht alle mit ein.
In der Diskussion im Schulausschuss ging es ausschließlich um Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen.
Entweder im Bereich Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung.
Oder im Bereich kognitive und körperlich-motorische Beeinträchtigungen.
Es ging um Diagnostik und um die Zuordnung zu sonderpädagogischen Förderschwerpunkten, die über Art und Umfang der Förderung entscheiden.
Solch ein Ansatz, der zwischen behindert und nicht-behindert unterscheidet, widerspricht den Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention.
Ein weiterer zentraler Aspekt fehlte in der gesamten Diskussion:
Inklusion ist keine Frage des Wollens.
Inklusion ist ein Menschenrecht.
Damit steht Inklusion über der Selbstbestimmung von Schulen.
Im Klartext heißt das:
Nicht die einzelne Schule entscheidet darüber, ob sie Inklusion möchte oder nicht.
Jede Schule ist zur Inklusion verpflichtet.
Ein klares Bekenntnis zur Inklusion bedeutet, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umzusetzen.
Dazu gehört auch der Abbau schulischer Sondersysteme.
Diesen Schritt scheint Hamburg nach wie vor nicht gehen zu wollen.
Inzwischen hat sich die Ombudsstelle als feste Größe für die Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt etabliert.
Jährlich nutzen mehrere hundert Menschen die Ombudsstelle als Anlaufstelle für Fragen und Beschwerden rund um das Thema Eingliederungshilfe.
Doch was macht die Ombudsstelle Eingliederungshilfe eigentlich genau?
Auch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an der Welt, in der wir leben.
Damit Teilhabe gut gelingen kann, gibt es inzwischen ein eigenes Gesetz dazu.
Nämlich das Bundesteilhabegesetz.
Das Bundesteilhabegesetz zeigt auf, wie Teilhabe aussieht und welche besonderen Leistungen es gibt, um Menschen mit Behinderungen bei einem möglichst selbstbestimmten Leben zu unterstützen.
Diese Leistungen werden als Leistungen zur Teilhabe oder auch als Eingliederungshilfe bezeichnet.
Noch läuft in Hamburg nicht alles rund bei der Umsetzung von Teilhabe-Leistungen.
Es gibt viele Probleme mit Behörden und Ämtern.
Menschen mit Behinderungen warten zu lange auf Leistungen, die ihnen zustehen.
Oder sie erhalten nicht die Leistungen, die sie brauchen.
Weil es an ausreichend Assistenz oder Angeboten fehlt.
Das frustriert und verärgert.
Bei der Ombudsstelle finden Betroffene, Angehörige und auch rechtliche Betreuer ein offenes Ohr.
Hier können sie ihren Ärger und ihre Beschwerden einbringen.
Die Ombudsstelle Eingliederungshilfe hört nicht nur zu.
Die Ombudsstelle hilft auch bei konkreten Problemen mit Leistungsträgern und Leistungsanbietern.
Damit Menschen mit Behinderungen möglichst schnell die Leistungen erhalten, die ihnen zustehen.
Träger der Leistungen zur Teilhabe können sein:
die gesetzlichen Krankenkassen,
die Bundesagentur für Arbeit,
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte,
die Träger der Sozialen Entschädigung (ehemals Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge),
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und
die Träger der Eingliederungshilfe.
Diese sieben Leistungsträger werden auch als Rehabilitationsträger bezeichnet.
Die Leistungsträger überprüfen den Leistungsanspruch und stellen anschließend das Geld für eine Leistung zur Verfügung.
Die Leistungsanbieter sind für die Erbringung der Leistungen zuständig.
Fachleute sprechen von einem Sozialleistungs-Dreieck, bestehend aus Träger, Erbringer und Berechtigtem.
Das Sozialleistungsdreieck (Grafik: Sina Gebhardt, 2017)
In diesem Dreieck unterstützt und stärkt die Ombudsstelle die Rechte und Interessen der Leistungsberechtigten.
Denn auch wenn das Sozialleistungs-Dreieck im Bild ganz einfach aussieht, ist es in der Praxis mehr als kompliziert.
Ärger und Frust haben Auswirkungen auf die Kommunikation .
Dinge werden missverstanden.
Die Fronten verhärten sich.
Manchmal kommt es zum offenen Streit.
Oder man redet nicht mehr miteinander.
Auch in solchen Fällen unterstützt die Ombudsstelle.
Sie fördert Gespräche und vermittelt bei Streit – um gute Lösungen für Menschen mit Behinderungen zu finden.
Jedes Jahr schreibt die Ombudsstelle einen ausführlichen Bericht.
Dieser Bericht richtet sich vor allem an Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung.
Und natürlich an die Leistungsträger und die Leistungsanbieter.
Der Bericht soll zeigen:
Was läuft in Hamburg noch nicht rund in Sachen Eingliederungshilfe und Teilhabe?
Wo sollte sich etwas ändern?
Was könnte verbessert werden?
Aber auch:
Wo in Hamburg gelingt bereits erfolgreich Teilhabe für Menschen mit Behinderungen?