Qualifizierungsdilemma

Unser Kind mit Behinderung arbeitet seit Mai in einer Firma für Veranstaltungstechnik. Und ist dort super glücklich.

Auch der Betrieb ist mehr als zufrieden mit der Arbeit unseres Kindes. Gerne möchte er unserem Kind die Möglichkeit zur Qualifizierung geben.

Das Bild zeigt Regler und Knöpfe auf einem Mischpult.

Hätte unser Kind keine Behinderung, wäre es bereits vor drei Monaten mit der Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik gestartet.

Doch mit Behinderung ist alles komplizierter.

Denn: Wegen seiner Lernschwierigkeiten schafft unser Kind keine Vollausbildung.

Das ist dem Betrieb egal. Der sagt: „Bis zu 80 Prozent der Ausbildung kann Ihr Kind schaffen. Das reicht uns.“

Auf dem Bild sieht man den Eingang eines mehrgeschossigen modernen Gebäudes, darüber in Leuchtbuchstaben den Schriftzug der Agentur für Arbeit.

Ganz anders sieht das der für unser Kind zuständige Reha-Berater in der Agentur für Arbeit.

Die berufspsychologische Testung unseres Kindes durch die Agentur für Arbeit hat ergeben:

„Die Teilnahme an einer Vollausbildung ist unrealistisch. Dafür sind die behinderungsbedingten Lernschwierigkeiten zu groß.“

Daher empfiehlt das berufspsychologische Gutachten eine theoriereduzierte Ausbildung für „Förderschüler“. Mit entsprechend gestalteten Rahmenbedingungen wie einer kleinen Lerngruppe und einer intensiven sonderpädagogischen Unterstützung.

Der Haken an der Sache: Im Bereich Veranstaltungstechnik gibt es (noch) keine theoriereduzierte Ausbildung.

Also sagt der Reha-Berater: „Was es nicht gibt, kann auch nicht gefördert werden.“

Und empfiehlt unserem Kind eine Ausbildung zum Werker im Garten- und Landschaftsbau.

Auch wenn das nicht der Wunschberuf unseres Kindes ist.

Das Bild zeigt ein schwarzes Strichmännchen, das sich mit der rechten Hand an die Stirn tippt und die Augen fragend nach oben richtet. Über dem Kopf des Männchens befinden sich drei rote Fragezeichen.

Unser Kind könnte sich auch über eine Unterstützte Beschäftigung im Bereich Veranstaltungstechnik qualifizieren.

Bei einer Unterstützten Beschäftigung werden Menschen mit Behinderung direkt vor Ort in einem Betrieb angeleitet. Sie können ausprobieren, welche betrieblichen Tätigkeiten sie gut schaffen. Und sich darüber auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in dem Betrieb vorbereiten.

Allerdings: Die betriebliche Qualifizierung im Rahmen einer unterstützten Beschäftigung ist keine Ausbildung. Sie dient alleine dazu, behinderte Menschen auch ohne formale Bildungsabschlüsse in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen.

Für unser Kind hieße das, dass es nicht über den Status eines angelernten Hilfsarbeiters hinaus käme. Überdies würde es in der Zeit der Qualifizierung kaum etwas verdienen.

Doch unser Kind möchte mehr. Es will sich nicht mit einem direkten Einstieg in eine Anlerntätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zufrieden geben. Es möchte lernen und eine Ausbildung machen – so wie seine nicht-behinderten Freunde auch.

Auf dem Bild sieht man Unterschenkel und Fuß eines Menschen in roten Turnschuhen.