Eltern behinderter Kinder in Hamburg wünschen sich seit langem deutlich mehr Verlässlichkeit im Schulalltag.
Immer wieder werden Kinder mit Behinderung vorzeitig aus dem laufenden Unterricht nach Hause geschickt.
Nicht selten gehen Kinder mit Behinderung erst gar nicht zur Schule.
Weil eine Schulbegleitung fehlt.
Mit Beginn des Schuljahres 2022/23 scheint sich das Problem nochmals verschärft zu haben.
Egal, ob Regelschule oder Sonderschule – überall hieß es von Eltern:
Noch nie fehlten bereits zu Beginn eines Schuljahres so viele Schulbegleitungen!
Allerdings: Niemand weiß genau, wie viele Unterrichtsstunden Kinder mit Behinderung versäumen. Weil die Schulbegleitung fehlt.
Da sich jede Schule selbst verwaltet, sei die Erfassung von Zahlen schwierig. Sagt die Schulbehörde.
Erste konkrete Zahlen liefert nun eine Elternumfrage von Autismus Hamburg e.V.
Der Verein Autismus Hamburg e.V. ist eine Hamburger Selbsthilfe-Organisation. Gegründet 2009 durch Eltern von Kindern mit Autismus.
Viele Kinder mit Autismus brauchen in der Schule zusätzliche Unterstützung. Damit sie gut durch den Schultag kommen.
Im Herbst 2022 hat Autismus Hamburg e.V. daher 54 Eltern des Vereins zur aktuellen Situation der Schulbegleitung befragt.
Fast alle befragten Eltern hatten für ihr Kind eine Schulbegleitung beantragt. Entweder über ein Regionales Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ) oder die Schulbehörde.
In vier von fünf Fällen wurde die Schulbegleitung bewilligt.
Von den bewilligten Schulbegleitungen fehlte zum Schulstart deutlich mehr als die Hälfte.
Meist war niemand für die Schulbegleitung gefunden worden.
In einigen Fällen erfolgte die Genehmigung nicht rechtzeitig.
Außerdem ergab die Umfrage:
Bei mehr als der Hälfte aller Kinder wurden zwischen 5 bis 18 Stunden Schulbegleitung pro Woche bewilligt. Das macht 1 bis 3 begleitete Unterrichtsstunden pro Tag.
Gut jedes vierte Kind erhielt zwischen 20 und 28 Stunden Schulbegleitung pro Woche.
Nur wenige Kinder hatten eine ganztägige Schulbegleitung.
Bei mehr als der Hälfte der Kinder reichten die bewilligten Stunden nicht, um gut durch den Schultag zu kommen.
Die Eltern gaben an, ihre Kinder seien deshalb verstärkt gestresst.
Oft müssten die Kinder bereits mittags aus der Schule abgeholt werden.
An einigen Tagen blieben die Kinder ganz zu Hause.
Dies wirkte sich deutlich auf den Alltag der Eltern aus.
Viele Eltern machten sich Sorgen: Wird ihr Kind in der Schule gut beschult und betreut?
Mehrere Eltern fühlten sich überfordert: Wie sollen sie den versäumten Unterricht mit ihrem Kind nachholen? Wie lässt sich ihr Kind emotional immer wieder auffangen?
Einige Eltern erklärten klar und deutlich: Sie können nicht im gewünschten Umfang arbeiten gehen.
Einige Eltern gaben an: Sie können überhaupt nicht arbeiten gehen.
Nun mag der ein oder andere sagen:
Die durchgeführte Elternumfrage von Autismus Hamburg e.V. ist nicht repräsentativ.
Zu wenige Eltern wurden befragt.
Andere Behinderungsformen wurden nicht berücksichtigt.
Es handelt sich um Einzelfälle, die individuell betrachtet werden müssen.
Dennoch bleiben die Ergebnisse der Umfrage alarmierend.
Sie untermauern das, was Eltern seit langem sagen:
Viele Kinder mit Behinderung nehmen in Hamburg nur eingeschränkt an Bildung teil.
Dabei sagt das Bundesteilhabe-Gesetz:
Kinder mit Behinderung haben Anspruch auf unterstützende Leistungen, damit sie Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können.
Es ist dringend nötig, den durch fehlende Schulbegleitung verursachten Unterrichtsausfall für Kinder mit Behinderung genauer zu bestimmen.
Um daraus konkrete Verbesserungs-Maßnahmen abzuleiten.
Gerade lässt die Stadt Hamburg ihr bisheriges Verfahren in Sachen Schulbegleitung wissenschaftlich evaluieren.
Ein erster Zwischenbericht wird für März 2023 erwartet.
Der vollständige Abschlussbericht soll Ende 2023 folgen.
Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse dieser Untersuchung.
Was ich bereits jetzt weiß:
Für das Schuljahr 2023/24 plant Autismus Hamburg e.V. eine erneute Elternumfrage zum Thema Schulbegleitung.