Schon gehört?

Im September 2021 hat sich das Amt für Bildung innerhalb der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) umstrukturiert.

Ganz still und leise und ohne viel Kommunikation nach außen.

Selbst der wöchentliche Newsletter der BSB hat nicht darüber berichtet.

Auf dem Bild sieht man den Eingang einer Schule in Hamburg mit großen grünen Türen und roten Backsteinmauern.

Was hat sich verändert?

Im Amt für Bildung gibt es jetzt eine eigene Abteilung „Inklusive Bildung“ (B4), die direkt dem Landesschulleiter unterstellt ist.

Innerhalb der Abteilung „Inklusive Bildung“ gibt es drei Unterabteilungen:

  • Grundsatz und Qualitätsentwicklung inklusive Bildung, Schulbegleitung, pädagogisch-therapeutisches Fachpersonal (B 41),
  • Aufsicht und Fachaufsicht spezielle Sonderschulen, ReBBZ und BBZ (B 42),
  • Gewaltprävention (B 43).

Kopie des aktuellen Organigramms des Amtes für Bildung der BSB Hamburg, Stand September 2021
Organigramm BSB – Amt für Bildung (Stand September 2021)

Wie war es vorher?

Vorher unterstanden die speziellen Sonderschulen der „Schul- und Fachaufsicht allgemeinbildende Schulen“. So wie alle anderen Schulen in der Stadt.

„Inklusion und Sonderpädagogik“ war eine Unterabteilung der Abteilung „Gestaltung, Unterrichtsentwicklung, Grundsatz und Internationales“ (B 3), ebenso die „Gewaltprävention“.


Kopie des vorherigen Organigramms des Amtes für Bildung der BSB Hamburg, Stand Oktober 2019
Organigramm BSB – Amt für Bildung (Stand Oktober 2019)

Dann ist die inklusive Bildung durch die Umstrukturierung also aufgewertet und gestärkt worden?

Auf den ersten Blick mag dies so scheinen: „Inklusive Bildung“ als Top 4 unter den direkt der Amtsleitung unterstellten Fachabteilungen.

Allerdings:

Zuständig ist die neue Abteilung „Inklusive Bildung“ ausschließlich für Schülerinnen und Schüler mit diagnostiziertem sonderpädagogischen Förderbedarf. Also für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung oder starken Verhaltensauffälligkeiten.

Damit bleibt inklusive Bildung weiterhin genau auf diejenigen Schülerinnen und Schüler reduziert, die doch eigentlich inkludiert werden sollen.

Für sie wird eine eigene Fachaufsicht geschaffen, werden eigene Unterrichtsinhalte und -konzepte diskutiert.

So werden Sonderstrukturen ausgebaut und gefestigt, nicht abgebaut.

Das ist genau das Gegenteil von Inklusion.

Auf der linken Seite des Bildes sieht man eine Gruppe roter Mensch-Ärger-Dich-Nicht-Figuren eng nebeneinander stehend. Auf der rechten Bildseite steht eine einzelne schwarze Spielfigur, mit deutlichem Abstand zu den andern.

Inklusive Bildung geht alle an, schließt alle ein.

Inklusive Bildung besteht vor allem darin, keine Schubladen aufzumachen:

dort die Schülerinnen und Schüler mit Behinderung und dort die ohne.

Inklusive Bildung heißt gemeinsamer Unterricht in einer Schule für alle.

In der jedes Kind die Chance erhält auf eine bestmögliche Bildung, ausgerichtet an seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten.

Das Bild zeigt viele bunte Mensch-Ärger-Dich-Nicht-Figuren auf einem Holzbrett.

Wie aber lässt sich eine inklusive Schule für alle planen und entwickeln, wenn behinderte Schüler bei der Diskussion um Grundsätzliches, Unterrichtsentwicklung, zentrale Prüfungen, Steigerung von Bildungschancen, Bildungswettbewerbe, Ganztag und Qualität in der Berufsvorbereitung außen vor bleiben?

Die Behörde argumentiert, es gebe Schnittstellen zwischen den verschiedenen Abteilungen. Aber reicht das wirklich aus?

Ich erlebe immer wieder: Beim Thema Bildung und Unterricht werden Schülerinnen und Schüler mit Behinderung nach wie vor nicht mitgedacht, sind nicht selbstverständlich.

Die aktuelle Diskussion über „Lernrückstände“ zeigt dies deutlich.

Viel zu oft greift weiter die Schere im Kopf: „Normale“ Kinder, die leistungsfähig sind versus „behinderte“ Kinder, die nicht so können wie die anderen. Die eigene Schutzräume brauchen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention ist beim Thema inklusive Bildung klar und deutlich:

Menschen mit Behinderungen sollen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben.

Daher fordert die UN-Behindertenrechtskonvention ein möglichst schnelles Ende von Sondersystemen.

Übrigens nicht nur im Bereich Bildung.

Eine eigene Abteilung „Inklusive Bildung“ in der Hamburger Schulbehörde, reduziert auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, ist in meinen Augen ein klarer Rückschritt auf dem mühsamen Weg zur Inklusion.

Das Bild zeigt ein Paar Füße in roten Turnschuhen, die auf einer grünen Wiese stehen.