Bauliche Barrierefreiheit ist wichtig!

In Hamburgs Sonder- und Schwerpunktschulen gibt es etliche Klassenräume, die für Schülerinnen und Schüler im Rollstuhl nicht erreichbar sind, da entsprechende Aufzüge fehlen.

Hinweisschild mit der Aufschrift "Barrierefreier Zugang", darunter ein Pfeil und ein Rollstuhlfahrerpiktogramm

Woran liegt das?

Die Behörde für Schule und Berufsbildung betrachtet derzeit Schulen bereits dann als barrierefrei, wenn

„alle Schülerinnen und Schüler im Rollstuhl oder mit Sehbeeinträchtigungen ohne Hindernisse einen Zugang zu Schulräumen haben oder dass bestimmte Räume speziell auf hörbehinderte Kinder ausgerichtet sind.“ (Schwerpunktschulen – hamburg.de)

Sprich eine Schule wird von der Schulbehörde bereits dann als barrierefrei angesehen, wenn zum Beispiel gehbehinderte Schülerinnen und Schüler einen barrierefreien Zugang zu Klassen- und Fachräumen im Erdgeschoss einer Schule haben.

Dies entspricht nicht der Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention, wonach Barrierefreiheit einen gleichberechtigten Zugang zu allen von Schülerinnen und Schülern genutzten Räumen bedeutet.

Mein Wunsch für eine „Inklusionsmetropole Hamburg“: Umfassende bauliche Barrierefreiheit in Hamburgs Schulen im Sinne von Artikel 21 der UN-Behindertenrechtskonvention!

Jedes Kind hat das Recht auf Familie!

Unser Pflegekind hat viele Geschwister. Alle wurden zu ihrem Schutz früh aus der leiblichen Familie genommen.

Auf dem Bild sieht man einen Säugling und ein Kleinkind nebeneinander auf einer Decke liegen.

Fast alle wurden durch das Jugendamt erfolgreich in Pflegefamilien vermittelt.

Nur eines nicht. Es war von Geburt an schwerbehindert. Damit war nicht die Jugendhilfe, sondern die Eingliederungshilfe dafür zuständig, das Geschwisterkind unterzubringen. Es lebt seitdem in einem Heim für schwerbehinderte Kinder.

So geht es vielen Kindern mit Behinderung, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihrer Herkunftsfamilie groß werden können.

Das muss sich dringend ändern!

Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sieht vor, dass die Kinder- und Jugendhilfe zuständig werden soll für alle Kinder und Jugendlichen – unabhängig davon, ob sie behindert sind oder nicht.

Allerdings gilt das erst ab dem Jahr 2028.

Das dauert für viele Kinder zu lange.

Mein Wunsch für eine „Inklusionsmetropole Hamburg“: Die Kinder- und Jugendhilfe bereits jetzt inklusiv denken und umgestalten!

Wie alles begann – oder: „Auf welche Schule soll unser Kind?“

Füße in roten Turnschuhen stehen mit Zehenspitzen auf einem Geländer


Frühjahr 2012, Schuleingangsuntersuchung im Gesundheitsamt Bergedorf

Nach der Untersuchung und Testung unseres sechsjährigen Pflegekindes teilte uns die zuständige Ärztin mit:

„Also, auf einer normalen Schule sehe ich ihr Kind nicht. Da kommt es nicht mit.

Auf der Sprachheilschule sehe ich es auch nicht. Dafür ist es sprachlich zu fit.

Auf der Sonderschule sehe ich es auch nicht. Dazu ist es nicht behindert genug.“

Die Förderschule war nach Einführung der Inklusion gerade aufgelöst. Die ging also auch nicht.

Ich fragte nach: „Auf welche Schule soll unser Kind denn dann? Schließlich gibt es in Deutschland eine allgemeine Schulpflicht.“

Die Ärztin reagierte mit einem Schulterzucken und antwortete: 

„Ja, das weiß ich auch nicht.“

Frühjahr 2021

Seit drei Jahren wissen wir: Unser Pflegekind hat eine Fetale Alkohol-Spektrumstörung (FASD).

Bei seiner Einschulung 2012 haben wir uns für den inklusiven Weg entschieden. Nun liegen vier Jahre Grundschule und fünf Jahre Stadtteilschule hinter uns. 

Viele tolle Lehrerinnen und Lehrer haben sich auf unser Kind eingelassen und tragfähige Bindungen zu ihm aufgebaut. Durch seine offene und zugewandte Art hat es sich einen festen Platz in der Klassengemeinschaft erobert. Seine Stärken werden gesehen. Ihm wird etwas zugetraut. 

Allerdings: 

Das Lernen ist auf der Strecke geblieben. Ein individualisierter Unterricht funktioniert bis heute nicht. Immer noch wissen Lehrerinnen und Lehrer zu wenig über die Behinderung unseres Kindes. 

Regelmäßig müssen wir als Eltern mit dem Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum und der Schulbehörde um eine ausreichende Unterstützung für unser Kind ringen. Die Schulbegleitung wurde jährlich gekürzt. Der Sonderpädagoge ist zu selten in der Klasse.

Unser Akku als Eltern ist so gut wie leer. Inzwischen geht es nur noch darum, das letzte Schuljahr an der Stadtteilschule so gut wie möglich hinter uns zu bringen. Für unser Kind wird das bedeuten, möglichst viele Praktika zu machen, während sich seine Klassenkameraden auf den ersten und zweiten Schulabschluss vorbereiten. 

Fazit

Die passende Schule für unser Kind gibt es bis heute nicht.

Mein Wunsch für eine „Inklusionsmetropole Hamburg“: Ein inklusives Schulsystem, das sich den individuellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung anpasst!

Mein erster Maßnahmenvorschlag für den Hamburger Landesaktionsplan:

Verbesserung der Situation von Kindern und Erwachsenen mit FASD, um ihnen eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (einschließlich Bildung) und eine zielgerichtete medizinische Versorgung zu ermöglichen.

Embryo im Mutterleib, umrahmt von einem Glas Alkohol und einer Scheibe Zitrone

Die Fetale Alkohol-Spektrumstörung (FASD) gilt als häufigste vorgeburtliche Behinderungsform weltweit. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich bis zu 10.000 Kinder mit FASD geboren werden.

Es gilt, verstärkt über FASD als lebenslange Behinderung aufzuklären, um präventiv zu wirken und die Situation Betroffener zu verbessern.

Bisher wird der Unterstützungsbedarf von Menschen mit FASD in allen Lebensbereichen (Schule, Arbeit, Wohnen, Freizeit) zu sehr unterschätzt. Überall dort gilt es, wirksame Unterstützungsangebote zu schaffen.

Auch muss die Diagnostik, insbesondere bei Erwachsenen, deutlich verbessert werden.

„Mit uns über uns“

Im März 2021 hat die Stadt Hamburg eine neue Kampagne gestartet. Das Ziel ist hoch gesteckt: Hamburg soll „Inklusionsmetropole“ werden!

Damit dies gelingen kann, werden Menschen mit Behinderung aufgerufen, sich aktiv an der Neufassung des Hamburger Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu beteiligen.

Logo der Kampagne "Mit uns! Inklusion gestalten." der Sozialbehörde Hamburg
Sozialbehörde Hamburg

Was heißt das?

Im Hamburger Landesaktionsplan wird festgeschrieben, welche Ziele und Maßnahmen der Hamburger Senat verfolgt, um die 2009 von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention in Hamburg umzusetzen.

Es wird aufgezeigt, wo Menschen mit Behinderung in Hamburg gut unterstützt werden müssen, damit sie gleichberechtigt am Leben in unserer Gesellschaft teilhaben können.

Der Landesaktionsplan wird regelmäßig geprüft und überarbeitet. Die nächste Neufassung ist für das Jahr 2022 geplant.

Ein paar Füße in roten Schuhen auf Asphalt

Unter dem Motto „Mit uns! Inklusion gestalten“ ruft die Stadt Hamburg Menschen mit Behinderung dazu auf, möglichst viele eigene Vorschläge für den Landesaktionsplan zu machen. Denn:

Menschen mit Behinderung wissen am besten, wo es bereits gut mit der Inklusion läuft und wo weitere Verbesserungen nötig sind. Nur wenn ihre Erfahrungen gehört und aufgenommen werden, kann der Landesaktionsplan erfolgreich sein.

Im Internet gibt es ein Formular, in dem Menschen mit und ohne Behinderung konkrete Vorschläge für den Landesaktionsplan einbringen können. In öffentlichen Arbeitsgruppen sollen diese anschließend vorgestellt und diskutiert werden.

Das bedeutet für uns als Eltern von Kindern mit Behinderung:

GEMEINSAM KÖNNEN WIR DARAUF AUFMERKSAM MACHEN, WAS ES IN HAMBURG BRAUCHT, DAMIT INKLUSION GUT GELINGEN KANN.

BETEILIGEN WIR UNS!

Hier findest du nähere Informationen zum Landesaktionsplan.

Hier findest du das Formular für deine Vorschläge:.

Hier kannst du dich für Arbeitsgruppen anmelden, auf denen die gemachten Vorschläge vorgestellt und diskutiert werden.