Inklusive Bildung steckt fest

Hamburgs jährliche Schulstatistiken zeigen es deutlich:

Die inklusive Bildung in Hamburgs Schulen steckt fest.

Und das bereits seit mehreren Jahren.

Auf dem Bild sieht man das Hinterrad eines Motorrads, das fast komplett mit Schlamm bedeckt ist.

Dass die Inklusion in Hamburgs Schulen auch inhaltlich festgefahren ist, zeigen die regelmäßigen Arbeitsberichte der Ombudsstelle Inklusive Bildung.

Die Frauen und Männer der Ombudsstelle Inklusive Bildung erhalten und bearbeiten jedes Jahr weit über 100 Anfragen von Eltern und Schülern, die Probleme mit der sonderpädagogischen Förderung haben.

Die zentralen Themen dieser Anfragen haben sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert.

Immer wieder geht es um

  • Probleme bei Nachteilsausgleichen und Förderplanung,
  • unfreiwillige Schulzeitverkürzungen,
  • Probleme beim zieldifferenzierten Unterricht,
  • Probleme bei Schulbegleitungen,
  • Bildung und Erziehung bei Autismus-Spektrum-Störungen,
  • Bildung und Erziehung bei Schülerinnen und Schülern mit einer fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD),
  • Zuweisungen zu Schwerpunktschulen.
Das Bild zeigt viele Glasmurmeln in unterschiedlichen Farben und Größen

Die vielen Anfragen weisen auf ein strukturelles Problem der Inklusion in Hamburgs Regelschulen hin.

Nämlich die nach wie vor nicht selbstverständliche Ausgestaltung und Umsetzung eines individualisierten Unterrichts für alle.

Inklusive Bildung denkt vom Kind aus.

Wo steht ein Kind? Was braucht ein Kind?

Und zwar unabhängig von einer Behinderung.

Ziel der inklusiven Bildung ist es, jedes Kind bestmöglich zu fördern.

Damit es später als erwachsener Mensch selbst bestimmt und möglichst selbständig an unserer Gesellschaft teilhaben kann.

Dies umzusetzen ist herausfordernd.

Es bedeutet zum Beispiel eine individuelle Förderplanung für jedes Kind.

An der alle beteiligt sind: Lehrkräfte, Therapeuten, Beratungskräfte, Schulbehörde, Eltern – und auch das Kind.

Bei dieser Förderplanung müssen Toilettengänge und Schulwege genauso selbstverständlich mitgedacht werden wie Kompetenzen in Mathe, Deutsch und Englisch.

Schule muss zu einem Bildungsort für alle werden.

Mit angepassten Unterrichtsmaterialien.

Mit Rückzugsräumen und reizarmen Lernumgebungen.

Mit Therapieräumen und viel Platz zum Bewegen.

Mit überschaubaren Lerngruppen und multi-professionellen Teams.

Das funktioniert nur mit beweglichen Strukturen. Mit Zusammenarbeit und der Bereitschaft, gemeinsam und voneinander zu lernen.

Und zwar auf allen Ebenen: In der Schule, mit Eltern, mit Verwaltung, mit Wissenschaft und Politik.

Der Blick aus einem Rafting Boot auf einen Wildwasser-Flußlauf. In der Spitze des Bootes sieht man zwei Mitfahrer von hinten, beide mit Paddeln, roten Helmen und Schwimmwesten.

Um solch ein lernendes System umzusetzen, braucht es einen klaren politischen Willen.

Doch ob der zur Zeit in unserer Stadt gegeben ist?

Die Frauen und Männer der Ombudsstelle wünschen sich bereits seit 2022 von der Schulbehörde, durch Corona ausgesetzte Arbeitsgruppen und den Beirat Inklusion wieder aufzunehmen.

Der gerade vorgestellte Landesaktionsplan 2023 enthält ein klares Bekenntnis zum Festhalten am Sonderschulsystem.

Außerdem soll die Inklusion nicht in allen Regelschulen gleichermaßen gefördert werden.

Sondern nur in den sogenannten Schwerpunktschulen.

Zwar wird im Landesaktionsplan das Ziel formuliert, „dass der Besuch einer allgemeinen Schule einen Mehrwert gegenüber anderen Schulformen bieten muss – durch konsequent gelebte Inklusion und ein positives Schulerlebnis besonders auch für Menschen mit Behinderungen.“

Allerdings bezweifle ich, dass dies jemals Wirklichkeit wird, solange Hamburg an seinen zwei Schulsystemen (Regelschule und Förderschule) festhält.

Rote Schuhspitzen auf grauen Holzplanken

Es geht nicht darum, Türen zu ersetzen

Vor einer Woche veröffentlichte das Hamburger Abendblatt einen ganzseitigen Artikel über die Fetale Alkoholspektrum-Störung FASD.

Und zwar an exponierter Stelle.

Normalerweise freue ich mich über solche Artikel. Ganz besonders als Mutter eines Kindes mit FASD.

Doch diesmal ist das anders.

Auf dem Bild sieht man einen lachenden Säugling in Bauchlage auf einer Decke.

Bereits den Anfang des Artikels finde ich problematisch:

„Eigentlich sollte es inzwischen wirklich jeder wissen: Schwangere dürfen keinen Alkohol trinken, denn dieser schädigt ihr ungeborenes Kind. Umso erschreckender ist, dass es trotzdem dauernd passiert“.

Hier wird mit dem moralischen Zeigefinger auf Mütter gezeigt: „Wie könnt ihr nur.“

Allerdings:

Wohl keine schwangere Frau trinkt mit der Absicht, ihrem ungeborenen Kind bewusst zu schaden.

Schwangere Frauen trinken:

  • weil sie sich amüsieren wollen und noch nicht wissen, dass sie schwanger sind.
  • weil ihnen immer noch Menschen sagen: „Ein oder zwei Schlückchen in der Schwangerschaft schaden doch nicht.“
  • weil sie gefangen sind in Drogen- oder Alkoholsucht.
  • weil sie andere schwerwiegende Probleme haben und dringend Unterstützung bräuchten.

Verurteilen wir leibliche Mütter von Kindern mit FASD, führt dies nur dazu, dass sie den Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft verheimlichen.

Das hilft keinem. Ganz besonders nicht den betroffenen Kindern.

Wichtig ist es, leiblichen Müttern vorurteilsfrei zu begegnen. Zusammen mit ihren betroffenen Kindern müssen wir ihnen einen schnellen Zugang zum Hilfesystem ermöglichen.

Das Bild zeigt einen Holzstempel vor einem schwarzen Hintergrund. Auf den Griff des Stempels ist ein Strich-Gesicht gemalt. Dieses sieht aus, als würde es die Augenbrauen hochziehen.

Auch die Sichtweise auf Menschen mit FASD, die in dem Artikel zum Ausdruck kommt, bereitet mir Bauchschmerzen.

Bereits sehr früh fällt der Begriff des „Dorfdeppen“:

„Früher hatten wir das Wissen nicht. Jedes Dorf hatte seinen ‚Dorfdeppen‘. […] Wenn wir uns diese heute angucken würden, liegt die Vermutung nahe, dass der eine oder andere eine Alkoholschädigung hatte.“

Auch wenn dies sicherlich nicht beabsichtigt ist:

Hier wird an alte Bilder und Vorurteile angeknüpft, die hängen bleiben.

Die einen durch das Weiterlesen des Artikels und darüber hinaus begleiten.

Und die Menschen mit FASD und ihre Bezugspersonen verletzen können.

Im weiteren Verlauf des Artikels wird vorgestellt, wie sich die durch Alkohol verursachte vorgeburtliche Hirnschädigung auf das Leben von Menschen mit FASD auswirkt:

  • Menschen mit FASD bleiben ein Leben lang anders.
  • Menschen mit FASD verhalten sich auffällig bis herausfordernd, oft auch gewalttätig.
  • Menschen mit FASD sind freundlich und treu.
  • Menschen mit FASD können aus Erfahrung nicht lernen.
  • Kinder mit FASD schaffen in der Regel kein Abitur, auch wenn viele von ihnen einen normal hohen IQ haben.
  • Menschen mit FASD sind ein Leben lang auf Fürsorge und Unterstützung angewiesen.

Hinter dieser Beschreibung von Menschen mit FASD versteckt sich ein immer noch tief verwurzeltes medizinisch geprägtes Verständnis von Behinderung:

Eine Behinderung wird gesehen als etwas, das vom „Normalen“ abweicht.

Wie eine „biologische Funktionseinschränkung“ oder eine „Krankheit“.

Dazu passen Begriffe wie „Fehlbildung“, „hirnorganische Schädigungen“ oder „Heilung“, die sich wie ein roter Faden durch den Artikel ziehen.

Das Bild zeigt einen Playmobil-Arztkoffer.

Diese rein medizinisch geprägte Sicht auf Menschen mit FASD halte ich für äußerst problematisch.

Betroffene werden ausschließlich über ihre Gehirnschädigung definiert und als defizitär betrachtet.

Dadurch werden Menschen mit FASD bewertet, entmündigt und diskriminiert.

Der Blick von oben in eine geöffnete Eierpackung. In der Packung sind neun braune Eier und ein weißes Ei.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat bereits vor über zehn Jahren klargestellt:

Ein Mensch ist nicht per se behindert. Er wird durch eine Umwelt behindert, die individuelle Unterschiede nicht berücksichtigt.

Unser Kind hat FASD.

Unser Kind weiß: Wegen seiner FASD hat es verschiedene Einschränkungen.

Diese Einschränkungen sind für unser Kind normal. So normal wie seine Augenfarbe.

Problematisch wird es erst, wenn die Umwelt unseres Kindes diese Einschränkungen ignoriert. Wenn sie etwas erwartet, dass unser Kind aufgrund seiner Einschränkungen nicht erfüllen kann.

Dann wird unser Kind behindert.

Auf dem Bild sieht man die untere Hälfte eines Menschen in schwarzen Jeans und roten Turnschuhen, der einen Luftsprung macht.

Das Bundesteilhabegesetz legt fest:

„Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft […] hindern können.“

Dadurch ändert sich der Blick auf Behinderung.

Für Kinder und Jugendliche mit FASD bedeutet das zum Beispiel:

Nicht ihre Einschränkungen durch FASD sind schuld daran, warum sie kein Abitur schaffen. Stattdessen verhindern bestehende schulische Strukturen, dass junge Menschen mit FASD auf ihre Potentiale zugreifen und gleichberechtigt an Bildung teilhaben können.

Wollen wir Menschen mit FASD wirksam unterstützen, müssen wir lernen, ihre individuellen Einschränkungen nicht als Defizite zu betrachten.

Sondern als unveränderliches Merkmal und damit als Teil menschlicher Vielfalt.

Inklusive Bildung ist mehr als Sonderpädagogik und Schulbegleitung

Neulich war ich auf einer Veranstaltung von Leben mit Behinderung Hamburg.

Eingeladen war der Hamburger Schulsenator Ties Rabe.

Es ging um ein wichtiges Thema, nämlich Teilhabe an Bildung im Schuljahr 2023/2024:

Wie sind Hamburger Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in das neue Schuljahr gestartet?

Zahlreiche Eltern waren zu der gemeinsamen Diskussion gekommen.

Sie wollten vor allem ihren Ärger loszuwerden:

Ärger über nach wie vor fehlende Schulbegleitungen und überlastete Sonderpädagogen in den Regelschulen.

Aber auch Ärger über fehlende Sonderpädagogen und andere Fachkräfte in den speziellen Sonderschulen.

Das Bild zeigt eine Frau, die ein älteres Kind huckepack durch einen Wald trägt. Man sieht beide von hinten. Das Kind trägt einen großen Rucksack.

Den größten Raum nahm das Thema Schulbegleitung ein. Wie schon im letzten Schuljahr waren auch zu Beginn dieses Schuljahres viele Schulbegleiter-Stellen unbesetzt.

Das ist ein wichtiges Thema, das von der Schulbehörde unbedingt gehört werden muss.

Allerdings: Schulbegleitungen allein schaffen noch keine inklusive Bildung.

Selbst Schulsenator Rabe hätte lieber mehr darüber diskutiert, warum es mit der Umsetzung von Inklusion in Hamburgs Regelschulen immer noch so viele Probleme gebe. Obwohl seine Behörde die Zahl der pädagogischen und therapeutischen Stellen dafür massiv erhöht habe.

In der Tat ist dies eine äußerst wichtige Frage.

Denn diese Frage öffnet den Blick darauf, was wir eigentlich unter inklusiver Bildung verstehen.

Auch der Einsatz von zusätzlichen Sonderpädagogen bedeutet nämlich nicht automatisch ein mehr an Inklusion.

Werden Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in Regelschulen ausschließlich von Sonderpädagogen unterrichtet, dann ist das keine inklusive Bildung. Traditionelle Sonderformen der Beschulung bleiben bestehen.

Viele bunte Mensch-ärger-dich-nicht-Figuren bilden eng zusammengestellt ein Herz auf weißem Hintergrund.
Die Vereinten Nationen haben festgelegt: Jeder Mensch hat das Recht auf inklusive Bildung!

Wie inklusive Bildung aussieht und funktioniert, haben die Vereinten Nationen genau beschrieben.

Zum Beispiel in ihren Allgemeinen Bemerkung Nr. 4 (2016) zum Recht auf inklusiv Bildung.

Darin heißt es:

  • Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht – festgelegt in Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention.
  • Inklusive Bildung bedeutet: Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen werden gemeinsam unterrichtet.
  • Inklusive Bildung stellt sicher: Jeder Mensch erhält die ihm bestmögliche Bildung. Damit er wirksam am Leben in unserer Gesellschaft teilnehmen kann.
  • Inklusive Bildung erfordert neue Formen des Unterrichts, ausgerichtet an den individuellen Bedarfen der Lernenden.
  • Inklusive Bildung funktioniert nur, wenn alle, die im Bildungswesen arbeiten, gut darauf vorbereitet werden.
Das Bild zeigt drei gemalte Smilies mit jeweils einem leeren Ankreuz-Kästchen rechts daneben. Die Smilies sind untereinander angeordnet. Das obere ist grün und zeigt ein lachendes Gesicht. Das mittlere ist orange und zeigt ein neutrales Gesicht. Das untere ist rot und zeigt ein trauriges Gesicht.

Die Umsetzung von inklusiver Bildung ist ein fortlaufender Prozess.

Dieser Prozess muss regelmäßig überwacht und evaluiert werden.

Auch das schreiben die Vereinten Nationen vor.

Doch genau das passiert in Deutschland viel zu wenig.

Gerade erst hat der Uno-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen angemahnt:

  • Die deutsche Bundesregierung tut viel zu wenig für die Umsetzung von inklusiver Bildung.
  • Sie muss endlich Verantwortung übernehmen und die Umsetzung von inklusiver Bildung aktiv vorantreiben.
  • Es reicht nicht aus zu sagen: Bildung ist Ländersache.
Blick von unten auf den Turm über dem Haupteingang des Hamburger Rathauses, darüber ein blauer Himmel mit weißen Wolken

Der Hamburger Schulsenator Rabe erklärte auf der Veranstaltung bei Leben mit Behinderung Hamburg:

Die Hamburger Behörde für Schule und Bildung liefere ausreichend „know how“ und Ressourcen für die Umsetzung von inklusiver Bildung.

Was daraus gemacht werde, sei Sache jeder einzelnen Schule.

Wie auf Bundesebene wird auch hier Verantwortung verschoben. In diesem Fall von der Landesregierung auf die Schulen.

Das darf nicht sein.

Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Hamburg zur Umsetzung von inklusiver Bildung verpflichtet.

Senat und Bürgerschaft müssen endlich einen genauen Fahrplan erstellen, bis wann inklusive Bildung in Hamburg umgesetzt sein soll.

Sie müssen für ausreichende Ressourcen sorgen, damit dieser Fahrplan erfolgreich eingehalten werden kann.

Und sie müssen die Umsetzung dieses Fahrplans regelmäßig kontrollieren und evaluieren.

Ein rechter Fuß in einem roten Turnschuh, dahinter graue Steine

2009 haben Bund und Länder die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet.

Damit haben sich Bundesregierung und Landesregierungen dazu verpflichtet, inklusive Bildung zügig umzusetzen. Und zwar in Form eines inklusiven Schulsystems, in dem junge Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen.

Hamburg hat als eines von nur zwei Bundesländern das Recht auf inklusive Bildung in seinem Schulgesetz verankert.

Nun sollte Hamburg den inklusiven Umbau seines Schulsystems konsequent weiter führen.

Anstatt Schulen oder Eltern die Verantwortung für inklusive Bildung zuzuschieben.

Was ist Inklusion?

Inklusion ist eine Haltung.

Inklusion wächst durch Erfahrung.

Inklusion ist ein Prozeß.

Inklusion entsteht durch Begegnung.

Inklusion entsteht durch Zusammenleben.

Inklusion denkt vom Menschen aus.

Das Bild zeigt mehrere Läuferinnen und Läufer eines Volkslaufs, die einen alten Mann und eine alte Frau im Rollstuhl beim Laufen vor sich her schieben.

Inklusion heißt:

Jeder Mensch gehört dazu.

Jeder ist wertvoll.

Jeder kann teilnehmen.

Jeder darf selbst bestimmen, wie er leben möchte.

Jeder hat die gleichen Rechte.

Inklusion ist Menschen-Recht!

Das Bild zeigt einen körperbehinderten Jungen auf einer behindertengerechten Schaukel. Links von ihm steht sein Buggy. Daneben hängt eine normale Schaukel.

Inklusion geht immer anders.

Inklusion heißt Vielfalt.

Inklusion geht alle an.

Inklusion schließt alle ein.

Jeder kann mitmachen.

Inklusion hilft allen.

Drei Menschen auf einer Bank betrachten eine große Wand, an der viele kleine Porträtfotos von sehr unterschiedlichen Menschen aufgehängt sind.

Inklusion kann Angst machen.

Inklusion braucht Mut.

Inklusion braucht Offenheit.

Inklusion braucht Vertrauen.

Inklusion braucht Wertschätzung.

Das Foto zeigt zwei Menschen beim Gleitschirm-Tandemflug. Im Hintergrund sieht man Himmel und Berge.

Inklusion ist niemals fertig.

Inklusion muss nicht perfekt sein.

Inklusion muss für alle verständlich sein.

Inklusion passt in kein Handbuch.

Inklusion lässt sich nicht am Reißbrett planen.

Inklusion braucht Rechtsgrundlagen.

Inklusion braucht Verbindlichkeit.

Inklusion braucht Beteiligung – von allen.

Die Beine eines Menschen in kurzen Hosen und roten Turnschuhen baumeln über einem Gewässer.

Umgang mit Vielfalt

Zwölf unterschiedliche Schuhe (darunter zwei rote) stehen zu einem Kreis angeordnet auf einer Kieselfläche.

Auf einem Spielplatz in Bergedorf. Unser Kind ist knapp drei Jahre alt und spielt mit einer Freundin aus der Krabbelgruppe. Eine weitere Mutter kommt mit ihren Kindern auf den Spielplatz. Eins davon möchte gerne mitspielen. Die Freundin aus der Krabbelgruppe rennt zu ihrer Mutter, geht hinter deren Rücken in Deckung. Derweil teilt unser Kind die Schaufeln. Der Mutter aus der Krabbelgruppe ist das ganze sichtlich peinlich: „Meine Tochter hat noch nie ein schwarzes Kind gesehen.“

Gut ein Jahr später auf einem anderen Spielplatz. Eine nicht sehr alte Frau im Rollstuhl sieht den Kindern beim Spielen zu. Die meisten Kinder (und Erwachsenen) schauen, scheinen verunsichert. Ganz selbstverständlich geht unser Kind auf die Frau zu und erkundigt sich, ob ihr Rollstuhl einen Elektroantrieb habe. Denn: Mit Rollstühlen kenne es sich aus. Sein Kumpel aus der Frühfördergruppe habe gerade einen neuen E-Rolli bekommen, während sein Bobby Car leider nur Fußantrieb habe.

Wieder einige Jahre später. Unser Kind ist inzwischen ein Schulkind. Wir besuchen die Oma im Krankenhaus. Sie hatte einen Schlaganfall und kann nicht laufen. Im Krankenzimmer steht ein Rollstuhl. Unser Kind ist begeistert: „Oma, keine Sorge. Den erklär ich dir ganz genau. Und dann schieb ich dich!“

Warum schreibe ich das? Weil ich es toll finde, wie selbstverständlich unser Kind mit vielem umgeht. Und das ganz ohne unser Zutun als Eltern.

Zeichnung eines Baumes, auf dessen Ästen viele unterschiedliche Kinder sitzen.

Denn: Bevor es zu uns kam, hat unser Kind zehn Monate in einem Kinderheim gelebt, gemeinsam mit Kindern (und Erziehern) in vielen verschiedenen Hautfarben. Für unser Kind ist es seitdem völlig normal, dass Menschen unterschiedlich aussehen.

In seinen ersten Lebensjahren war unser Kind sehr entwicklungsverzögert. Daher besuchte es lange Zeit eine integrative Frühfördergruppe. Hier hat unser Kind gelernt, dass es völlig okay ist, dass einige Kinder nicht laufen können. Oder nicht sprechen. Dafür nutzen sie spannende Hilfsmittel zur Fortbewegung. Und zur Kommunikation.

Viel wichtiger für unser Kind war es, in jeder Gruppenstunde die Rosinen aus dem rohen Brötchenteig zu picken. Natürlich gemeinsam mit den anderen Kindern. Denn alle mochten Rosinen – Behinderung hin oder her. Und alle haben sich anschließend gemeinsam wie Bolle gefreut, wenn sich die Erwachsenen darüber wunderten, wo denn die Rosinen in den fertig gebackenen Rosinenbrötchen geblieben waren.

Wenn Kinder von klein auf zusammen in Vielfalt leben, dann wird Vielfalt für sie zu etwas selbstverständlichem.

Mein Wunsch für eine „Inklusionsmetropole Hamburg“: ein selbstverständliches Miteinander von Kindern mit und ohne Behinderung – in Kindergärten und Schulen, auf Spielplätzen, beim Ferienprogramm, auf Freizeiten, in Sportvereinen, einfach überall.