Das Thema Inklusion im Schulausschuss

Am 6. September tagte der Hamburger Schulausschuss.

In einer öffentlichen Sitzung im Rathaus ging es um den Stand der Inklusion in Hamburgs Schulen.

Sechs Experten waren geladen.

Aus den Bereichen Schule, Wissenschaft, Sonderpädagogik, Zivilgesellschaft und Elternvertretung.

So sollte eine fachlich fundierte und differenzierte Diskussion ermöglicht werden.

Blick von unten auf den Eingangsturm des Hamburger Rathauses.

Tatsächlich ging es in der gesamten Sitzung sehr fachlich zu.

Viele wichtige Aspekte wurden behandelt.

Und es gab viele kluge Fragen und Antworten.

Hamburg wurde gelobt für sein klares Bekenntnis zur Inklusion.

Und für die Fortschritte, die die Stadt im Bereich der schulischen Inklusion bereits erzielt habe.

Hamburg wurde aber auch aufgefordert, in Sachen Inklusion nicht stehen zu bleiben.

Denn trotz der vielen Ressourcen, die Hamburg in den letzten Jahren in den inklusiven Umbau seines Schulsystems investiert hat, arbeiten noch längst nicht alle Schulen inklusiv.

Eins allerdings wurde in der gesamten Debatte außer acht gelassen.

Nämlich die Frage:

Was bedeutet eigentlich Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention?

Und was genau heißt das für Schulen?

Auf einer Schiefertafel steht mit Kreide geschrieben "TOGETHER". Darunter sieht man eine Kette bunter, gezeichneter Männchen, die sich an den Händen halten.

Bei der Staatenprüfung vor einem Jahr in Genf hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehr deutlich erklärt:

Deutschland hält nach wie vor an seinen Sondersystemen für Menschen mit Behinderungen fest.

Damit verstößt Deutschland gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.

Auch Hamburg hat nach wie vor ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.

Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen (einschließlich der Bildungsabteilungen an den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren) und 5 privaten Sonderschulen.

Dass dieses Sondersystem nicht vereinbar ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention, dazu gab es in der gesamten Sitzung kein einziges Wort.

Weder von den geladenen Experten noch von den Mitgliedern des Schulausschusses.

Im Gegenteil:

Einige Experten lobten ausdrücklich „Hamburgs großartiges Elternwahlrecht“.

Dabei haben das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention in Berlin längst klar gemacht:

Ein Elternwahlrecht ist nicht vereinbar mit der UN-Behindertenrechtskonvention.

Wenn, dann dürfte es höchstens ein Schülerwahlrecht geben.

Und das auch nur, wenn Schülerinnen und Schüler tatsächlich eine echte Wahlfreiheit haben.

Auf türkisem Untergrund steht in weißer Schrift: "Das Recht auf 
inklusive Bildung ist ein Recht des Kindes, nicht 
der Eltern. Ein dauerhaftes Vorhalten einer Wahlmöglichkeit durch das staatliche Schulsystem 
widerspricht der Verpflichtung aus der UN-BRK, wonach eine inklusive Schulstruktur den Bedürfnissen eines jeden Kindes gerecht werden muss. Ohne einen Plan, wie die Sonderstrukturen überwunden werden können, steht ein dauerhaftes Elternwahlrecht mit der UN-BRK nicht im Einklang."
Positionspapier der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention von 2017

Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wurde auch die Sicht auf Behinderung neu definiert.

Nicht mehr ein Mensch an sich ist behindert.

Sondern ein Mensch wird behindert.

Und zwar durch das Wechselspiel von individuellen Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren.

Diese menschenrechtliche Sicht auf Behinderung wurde in der gesamten Ausschuss-Sitzung viel zu selten berücksichtigt.

Dabei hat sie entscheidende Konsequenzen für die Umsetzung von inklusiver Bildung.

Es geht nämlich nicht mehr länger darum, welche Beeinträchtigungen und Defizite ein Kind hat.

Sondern es geht um die Frage:

Was braucht ein Kind, um bestmöglich an Bildung teilhaben zu können?

Diese Frage muss für jedes Kind gestellt werden. Und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder eben einer Behinderung.

Denn:

Inklusion unterscheidet nicht mehr nach Kategorien und Gruppen. Inklusion bezieht alle mit ein.

An einer riesigen Wand hängen viele Portrait Fotos von ganz unterschiedlichen Menschen. Davor sitzen drei Personen auf einer Bank und betrachten die Bilder.

In der Diskussion im Schulausschuss ging es ausschließlich um Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen.

Entweder im Bereich Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung.

Oder im Bereich kognitive und körperlich-motorische Beeinträchtigungen.

Es ging um Diagnostik und um die Zuordnung zu sonderpädagogischen Förderschwerpunkten, die über Art und Umfang der Förderung entscheiden.

Solch ein Ansatz, der zwischen behindert und nicht-behindert unterscheidet, widerspricht den Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention.

Auf dem Bild sieht man den Oberkörper eines jungen Mannes in einem bunten Kapuzen-Sweatshirt. Der Mann hält seinen rechten Arm auf Brusthöhe und zeigt mit dem Daumen nach unten.

Ein weiterer zentraler Aspekt fehlte in der gesamten Diskussion:

Inklusion ist keine Frage des Wollens.

Inklusion ist ein Menschenrecht.

Damit steht Inklusion über der Selbstbestimmung von Schulen.

Im Klartext heißt das:

Nicht die einzelne Schule entscheidet darüber, ob sie Inklusion möchte oder nicht.

Jede Schule ist zur Inklusion verpflichtet.

Ein klares Bekenntnis zur Inklusion bedeutet, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umzusetzen.

Dazu gehört auch der Abbau schulischer Sondersysteme.

Diesen Schritt scheint Hamburg nach wie vor nicht gehen zu wollen.

Auf dem Bild sieht man die untere Hälfte eines Menschen in schwarzen Jeans und roten Turnschuhen, der einen Luftsprung macht.