Die Beantragung von Hilfen – ein Dauerlauf mit Hindernissen

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Steigen Sie noch durch?

Solchen Abkürzungen und Begriffen begegnen Eltern, die sich um Unterstützung bemühen für ihr Kind mit Behinderung. Das beginnt mit der Frühförderung. Geht weiter in Krippe, Kita und Schule. Und ist mit der Berufsvorbereitung und Ausbildung noch längst nicht zu Ende.

Als Eltern eines Kindes mit Behinderung lernt man schnell: Nichts geht einfach. Nichts geht schnell. Nichts ist auf Dauer. Nichts ist selbstverständlich. Nichts geht ohne Druck und Nachhaken.

Nein, damit meine ich nicht die Entwicklung unseres Kindes.

Damit meine ich die Bewilligung von Hilfen, die unser Kind benötigt, um sich gut zu entwickeln. Um wie alle Kinder in die Kita zu gehen oder in die Schule.

Oft komme ich mir vor wie eine Hürdenläuferin.

Die erste Hürde: Ich muss vorab bereits wissen, was es an Hilfen gibt.

Die zweite Hürde: Ich muss wissen, wer für die Bewilligung einer Hilfe zuständig ist.

Die dritte Hürde: Ich muss überzeugend nachweisen, was mein Kind an Hilfen benötigt und dass es einen Anspruch darauf hat.

Die vierte Hürde: Ich muss viel Geduld haben. Und ich muss aufpassen, dass das Bewilligungsverfahren nirgendwo stecken bleibt.

Die fünfte Hürde: Ich muss wissen, was bei der Bewilligung oder auch Ablehnung einer Hilfe zu tun ist.

Diesen Hürdenlauf absolviere ich nicht nur einmal sondern regelmäßig.

Denn: Kinder entwickeln sich. Daher sind bewilligte Hilfen in der Regel auf ein Jahr befristet. Die Tatsache, dass mein Kind eine lebenslange Behinderung hat und dauerhaft auf Hilfe angewiesen sein wird, interessiert da nicht.

Erschwerend kommt hinzu: Mit jedem Entwicklungsschritt meines Kindes (von der Frühförderung in die Kita, von der Kita in die Grundschule usw.) wechseln die für die Bewilligung von Hilfen zuständigen Menschen und Behördenstellen. Müssen Bedarfe neu beantragt, ermittelt, begründet und geprüft werden. Beginnen wir als Eltern quasi wieder am Punkt Null.

Ein Beispiel:

Unser Kind war drei Jahre lang in der Kita. Jedes Jahr wuchsen die Anforderungen an unser Kind. Und damit auch sein Bedarf an Unterstützung.

Im letzten Kita-Jahr hatte unser Kind die Zuschlagstufe III. Damit ließ sich die inzwischen nötige 1:1 Betreuung halbwegs abdecken.

Dann stand der Wechsel in die Grundschule an. Als Eltern war uns klar: Unser Kind wird die inklusive Grundschule nur meistern, wenn es eine verlässliche Begleitung an seiner Seite hat.

Also haben wir Druck gemacht. Wir haben Schule und Kita ein Jahr vor der Einschulung zu einem gemeinsamen Gespräch zusammen gebracht. Wir haben noch während der Kita-Zeit einen Antrag auf Schulbegleitung gestellt. Wir haben selbst eine Schulbegleitung gesucht. So konnte unser Kind gut begleitet in die Grundschulzeit starten.

Wenn wir nichts gemacht hätten? Dann wäre unser Kind sehr wahrscheinlich ohne Unterstützung in die Schule gegangen. Spätestens am Ende der ersten Woche hätten wir einen Anruf erhalten, dass wir unser Kind bitte abholen sollten. Weil es ausgerastet wäre. Mit Büchern geworfen hätte. Oder noch schlimmeres.

Vielleicht wäre dann bereits die Beantragung von Hilfe in Gang gekommen. Vielleicht hätte das aber auch noch eine Weile gedauert.

Auf jeden Fall hätte unser Kind bereits in der ersten Klasse seinen Stempel weg gehabt: als schlecht erzogen, unberechenbar, gewalttätig, schlimmstenfalls sogar als unbeschulbar.