Warum die Jugendberufsagentur Hamburg dringend inklusiv werden muss

Jugendberufsagenturen unterstützen junge Menschen beim Übergang von der Schule ins Berufsleben:

Sie helfen bei der beruflichen Orientierung.

Sie helfen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Sie helfen bei Problemen während der Ausbildung.

Sie helfen beim beruflichen Anschluss nach der Ausbildung.

Und sie helfen auch bei finanziellen, familiären, gesundheitlichen oder anderen persönlichen Problemen, die den Weg ins Berufsleben erschweren.

Damit all dies gut gelingt, arbeiten in einer Jugendberufsagentur verschiedene öffentliche Einrichtungen Hand in Hand.

Das Bild zeigt einen Waldweg im Herbst. In der Mitte des Weges sieht man einen Menschen von hinten, ausgerüstet mit einem großen Rucksack.

Die Jugendberufsagentur Hamburg wurde 2012 als erste Jugendberufsagentur in Deutschland gegründet. Und zwar durch einen Zusammenschluss der folgenden Einrichtungen:

  • Agentur für Arbeit Hamburg,
  • Jobcenter team.arbeit.hamburg,
  • Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB),
  • Bezirksämter und ihre Dienste,
  • Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration.

Das übergeordnete Ziel der Jugendberufsagentur Hamburg lautet:

Kein junger Mensch darf verloren gehen beim Übergang zwischen Schule und Beruf.

Damit sieht sich die Jugendberufsagentur ausdrücklich für alle jungen Menschen zuständig, die sich am Übergang von der Schule in die Berufsausbildung oder das Studium Beratung und Unterstützung wünschen.

Doch umfasst dieses alle tatsächlich alle jungen Menschen in unserer Stadt?

Die Antwortet darauf lautet bislang noch nein.

Junge Menschen mit Behinderung sind von den Angeboten der Jugendberufsagentur Hamburg weitgehend ausgeschlossen.

Denn: Für junge Menschen mit Behinderung ist in der Agentur für Arbeit die sogenannte Reha-Abteilung zuständig.

Die Reha-Abteilung gewährt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Und zwar für alle langzeiterkrankten oder behinderten Menschen. Unabhängig von ihrem Alter.

Logo der Jugendberufsagentur Hamburg
Logo der Bundesagentur für Arbeit

Der Ausschluss von der Jugendberufsagentur und die Zuweisung zur Reha-Abteilung wirkt sich für junge Menschen mit Behinderung gleich in mehreren Punkten nachteilig aus.

Punkt 1:

Die Berater in der Jugendberufsagentur Hamburg arbeiten ausschließlich mit jungen Menschen zwischen 15 und 25. Sie sind also Profis im Umgang mit jungen Menschen.

Dagegen berät die Reha-Abteilung überwiegend Menschen, die bereits mitten im Berufsleben stehen. Und nur selten Jugendliche und junge Erwachsene, die ins Berufsleben starten wollen.

Punkt 2:

Die Jugendberufsagentur Hamburg ist bewusst dezentral organisiert. Ihre sieben Standorte sind über ganz Hamburg verteilt. So sollen Wege möglichst kurz gehalten werden.

Ganz anders die Reha-Abteilung. Sie ist zentral für ganz Hamburg in der Hauptagentur für Arbeit in der Kurt-Schumacher-Allee untergebracht. Das ist ein großes und unübersichtliches Gebäude mitten in der Hamburger Innenstadt.

Das Bild zeigt zwei sich kreuzende Zebrawege auf einer riesigen Straßenkreuzung. In der Mitte der Zebrawege sieht man einen Menschen mit Rucksack. Ansonsten ist die Kreuzung leer.

Punkt 3:

Ein Kernziel der Jugendberufsagentur Hamburg ist es, Jugendliche möglichst direkt nach der Schule in eine Ausbildung zu vermitteln. Damit dies gelingt, arbeiten die Berater der Jugendberufsagentur eng mit weiterführenden Schulen zusammen.

Jugendliche an Stadtteilschulen lernen ihre Berufsberater bereits in Klasse 8 kennen. Mit dem Beginn der schulischen Berufsorientierung. Dabei wird zunächst nicht zwischen behinderten und nicht-behinderten Jugendlichen unterschieden.

Spätestens in Klasse 10 erhalten behinderte Jugendliche an Stadtteilschulen zusätzliche Unterstützung bei der schulischen Berufsorientierung.

Allerdings führt diese „spezielle“ Unterstützung die inklusiv beschulten Jugendlichen nach Abschluss von Klasse 10 meist nicht in eine Ausbildung. Sondern so gut wie immer in den sogenannten Übergangsbereich. Gleichzeitig wird die Reha-Abteilung für die jungen Menschen zuständig.

Jugendliche ohne Behinderung dagegen behalten ihre Berater in der Jugendberufsagentur, bis sie 25 werden.

Jugendliche an speziellen Sonderschulen kommen überhaupt nicht in Kontakt mit der Jugendberufsagentur. Für ihre schulische Berufsorientierung ist von Anfang an die Reha-Abteilung zuständig.

Die Berater der Reha-Abteilung vermitteln Jugendliche aus Sonderschulen in der Regel in den Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in den Übergangsbereich.

Auf dem Bild sieht man zwei kleine Spielfiguren mit aufgemalten Gesichtern. Die linke Spielfigur hat ein lachendes Gesicht, die rechte ein weinendes.

Punkt 4:

Die Berater in der Jugendberufsagentur handeln auf und für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie sind eng mit Kammern, Unternehmen, Betrieben und Gewerkschaften vernetzt.

Ganz anders die Berater in der Reha-Abteilung. Sie bewegen sich größtenteils in Sonderwelten. Ihre Beratung orientiert sich vorrangig an Angeboten und Maßnahmen, die ausschließlich für Menschen mit Behinderung gedachtet sind.

Angeboten werden solche Maßnahmen meist von großen Bildungsträgern, die sich auf die Arbeit mit behinderten Menschen spezialisiert haben. Gleichzeitig finanzieren sich diese Bildungsträger über das Geld, das sie von der Agentur für Arbeit erhalten.

Punkt 5:

Die Jugendberufsagentur Hamburg arbeitet sehr erfolgreich. Schafften vor der Gründung der Jugendberufsagentur Hamburg nur 25 Prozent der Schulabgänger nach Klasse 10 den direkten Übergang in eine Ausbildung, sind es inzwischen rund 40 Prozent.

Ganz anders sieht dies bei der Reha-Abteilung aus. Nach Durchlaufen des Übergangsbereichs verschwinden die meisten jungen Menschen mit Behinderung von Anfang an im Sondersystem. Ohne jemals eine wirkliche Chance auf eine Teilnahme am allgemeinen Arbeitsmarkt erhalten zu haben.

Einige Eltern von inklusiv beschulten Kindern mit sichtbaren Behinderungen vermeiden inzwischen ganz bewusst den Gang zur Agentur für Arbeit.

Sie sind sich sicher: Die Agentur für Arbeit weist ihre Kinder direkt der Reha-Abteilung zu. Und von da führt der Weg nur in eine Richtung – nämlich in eine Werkstatt für behinderte Menschen. Und nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Blick von oben auf neun graue Gehwegplatten. Am unteren Bildrand sieht man die Spitzen von zwei roten Turnschuhen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention legt in Artikel 27 (Arbeit) unter Punkt d fest:

Die Vertragsstaaten sind dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderungen wirksamen Zugang zu allgemeinen fachlichen und beruflichen Beratungsprogrammen, Stellenvermittlung sowie Berufsausbildung und Weiterbildung zu ermöglichen.

Nur so lässt sich eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben sicherstellen.

In Hamburg ist die Jugendberufsagentur die übliche und damit allgemeine Anlaufstelle für junge Menschen beim Übergang zwischen Schule und Beruf.

Die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit ist kein Teil der allgemeinen Berufsberatung. Sie ist ein Sondersystem für behinderte oder langzeiterkrankte Menschen.

Dieses Sondersystem geht davon aus, dass Menschen mit Behinderung besonders geschützt werden müssen.

Doch junge Menschen mit Behinderung brauchen nicht in erster Linie Schutz. Sie brauchen Chancen. Und zwar echte Chancen, die ihnen eine erfolgreiche Teilnahme am allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen.

Mit der Jugendberufsagentur verfügt Hamburg über eine Einrichtung, die darauf spezialisiert ist, junge Menschen in Arbeit zu bringen. Und zwar orientiert an deren Fähigkeiten, Stärken und Interessen. Davon dürfen junge Menschen mit Behinderung nicht länger ausgeschlossen werden.

Das Bild zeigt einen Kompass.