Das Thema Schulbegleitung – Frust und Wut von Eltern nehmen zu

Neulich in der Pflegeelterngruppe:

Eine Mutter erzählt von der fehlenden Schulbegleitung für ihr Kind.

Sofort wird es lauter in der Gruppe:

„Das Problem haben wir auch!“

„Wenn die Schulbegleitung nicht da ist, schickt die Schule unser Kind sofort nach Hause! Das geht doch nicht!“

„Wenn es eine Schulbegleitung gibt, dann ist das meist nur ein junger Mensch im freiwilligen sozialen Jahr. Also völlig unqualifiziert für unsere Kinder!“

„Warum wird nicht mit professionellen Kräften gearbeitet?“

„Die letzte junge Frau im freiwilligen sozialen Jahr hat genau acht Wochen durchgehalten und dann frustriert und überfordert das Handtuch geworfen!“

Jungen und Mädchen im Grundschulalter sitzen an einem langen Holztisch und malen. Auf dem Tisch stehen drei Becher mit Buntstiften.

Beim Thema Schulbegleitung sind die Fronten inzwischen deutlich verhärtet:

Eltern, die verärgert sind, weil ihre Kinder nur dann beschult werden, wenn eine Schulbegleitung anwesend ist.

Eltern, die fachlich kompetente Schulbegleitungen für ihre Kinder fordern. In der Hoffnung, dass ihre Kinder so erfolgreich an Bildung teilhaben können.

Berater in der Schulbehörde, die betonen, dass Schulbegleitungen nicht auf Dauer angelegt sind. Die deshalb regelmäßig Schulbegleitungsstunden kürzen. Und die gerne anbringen: Das sind keine Aufgaben von Schulbegleitung.

Schulen, die stöhnen, sie fänden keine Schulbegleiter. Oder von Anfang an sagen: Schulbegleitung zu beantragen ist uns zu zeitaufwendig und bringt zu wenig.

Schulbegleiter, die sich zu wenig informiert und nicht einbezogen fühlen. Denen konkrete Aufgabenbeschreibungen fehlen. Die nur befristete Arbeitsverträge erhalten und in den Ferien nicht bezahlt werden. Die oft frustriert wieder aufgeben.

Hinzu kommt das Wissen, dass es in Zukunft immer weniger qualifizierte Fachkräfte für Schulbegleitungen geben wird.

Es wird dringend Zeit, Schulbegleitung neu aufzustellen!

Hamburg-Flagge an einem Fahnenmast. Im Hintergrund erkennt man Wasser.

In Hamburg hat die Behörde für Schule und Berufsbildung gerade eine Evaluation des jetzigen Verfahrens von Schulbegleitung in Auftrag gegeben. Unter dem Titel „Schulbegleitung in Hamburg“ wollen Erziehungswissenschaftler der Universität Oldenburg herausfinden:

1. Welche Schülerinnen und Schüler erhalten eine Schulbegleitung ? Wer sind ihre Schulbegleiter?

2. Welche Erwartungen gibt es an Schulbegleitung? Wie wird Schulbegleitung wahrgenommen?

3. Was läuft gut beim jetzigen Verfahren der Schulbegleitungen? Was läuft weniger gut? Wie lässt sich Schulbegleitung insgesamt für alle verbessern?

Eine Untersuchungsmethode wird sein, verschiedene Gruppen von Personen zu befragen, die mit Schulbegleitung zu tun haben. Das sind:

  • in den Schulen: Schulleitungen, Förderkoordinatoren, Klassenlehrer und Sonderpädagogen.
  • in den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren sowie der Fachabteilung Schulbegleitung: Koordinatoren, Fallzuständige, Gesamtleitungen, Beratungslehrkräfte.
  • die Leistungserbringer von Schulbegleitung: Träger und Schulbegleitungskräfte.
  • die Sorgeberechtigten von Schülerinnen und Schülern.
Auf dem Bild sieht man die Rückseite eines Kindes mit langen Haaren und  rotem Helm. Das Kind hängt mit einem Klettergurt an einem Seil an einer Felswand.

Als Mutter eines Kindes mit Behinderung fällt mir sofort auf:

In der Liste der zu befragenden Menschen fehlen die Schülerinnen und Schüler, die Schulbegleitung erhalten. Kein „Mit uns über uns“. Sondern weiterhin „Über die Köpfe von behinderten Schülerinnen und Schülern hinweg“.

Dabei ist unser Kind inzwischen Experte in Sachen Schulbegleitung. Immerhin hatte es acht Jahre lang eine Schulbegleitung an seiner Seite!

Unser Kind kann ganz genau benennen, was ihm bei einer Schulbegleitung wichtig ist.

Und das ist in erster Linie nicht die Qualifikation der Schulbegleitung.

Viel wichtiger für unser Kind ist: Es muss spüren, dass sich die Schulbegleitung einlässt und zu einer Bindung bereit ist. Dass sie unser Kind ein Stück an ihrem Leben teilhaben lässt. Das muss gar nicht viel sein. Es kann bereits reichen:

  • das Auto der Schulbegleitung zu kennen,
  • zu wissen, ob die Schulbegleitung einen Freund oder eine Freundin hat,
  • zu erfahren, welche Musik die Schulbegleitung mag oder welches Hobby sie hat.

Das mag sich banal anhören, ist aber für ein Kind mit Bindungsstörung enorm wichtig. Nur so kann es sich sicher fühlen und seinerseits Bindung wagen.

Bildungsforscher wissen inzwischen: Erst wenn Bindung und Vertrauen da sind, ist erfolgreiches Lernen überhaupt möglich.

Das Bild zeigt zwei rechteckige gelbe Luftballons. Auf dem oberen Teil der Ballons steht in schwarz Schrift "Schule", darunter "Kindergarten". "Kindergarten" ist rot durchgestrichen.

Auch ich als Mutter kann inzwischen so einiges zum Thema Schulbegleitung sagen.

Eine meiner Erfahrungen ist:

Schulbegleitung durch junge Menschen im freiwilligen sozialen Jahr kann durchaus funktionieren. Wenn Vorbereitung und Rahmenbedingungen stimmen.

Unser Kind wurde in den ersten drei Grundschuljahren sehr erfolgreich durch engagierte junge Menschen im freiwilligen sozialen Jahr unterstützt.

Angestellt waren sie bei einem erfahrenen Träger, der genau darauf achtete, wer am besten zu welchem Kind passte. Anschließend bereitete der Träger die jungen Menschen zwei Wochen lang auf ihre Tätigkeit als Schulbegleiter vor. Während ihres Einsatzes als Schulbegleiter gab es regelmäßige Schulungswochen.

Außerdem hat die Klassenlehrerin unseres Kindes sehr eng mit der Schulbegleitung zusammen gearbeitet. Auch wir als Eltern waren mit an Bord und standen in regelmäßigem Austausch mit Klassenlehrerin und Schulbegleitung.

Und: Obwohl die Finanzierung noch nicht gesichert war, trat die Schulbegleitung mit der Einschulungsfeier ihren Dienst an. Möglich gemacht hat es der Träger, der von Anfang an von der Sinnhaftigkeit der Schulbegleitung überzeugt war. Sechs Wochen lang schoss er das Geld für die Schulbegleitung vor. Erst dann erhielten wir die Bewilligung durch die Schulbehörde.

So wurde der Schulstart für unser Kind zum Erfolg – und die Schulbegleitung zu einer Selbstverständlichkeit für alle in der Klasse.

Wer in Hamburg schon einmal mit Schulbegleitung zu tun hatte, der weiß: Dies alles ist bis heute bei Schulbegleitung nicht selbstverständlich.

Auf dem Bild sieht man Unterschenkel und Füße von zwei Menschen, die auf hochgestapelten Stühlen sitzen. Die eine Person trägt eine schwarze, die andere eine blaue Jeans. Beide haben rote Turnschuhe an.

Für eine erfolgreiche Evaluation von Schulbegleitung müssen alle an Schulbegleitung Beteiligten gleichberechtigt gehört werden. Dies schließt sowohl die begleiteten Schülerinnen und Schüler wie auch deren Eltern und Sorgeberechtigten mit ein.

Das Ergebnis einer solchen Evaluation liefert die Grundlage, auf der eine Neuaufstellung von Schulbegleitung konstruktiv diskutiert werden kann.

Auch für diese Diskussion gilt: Es müssen alle an Schulbegleitung Beteiligten gleichberechtigt mit einbezogen werden. So funktioniert Teilhabe.