Am 6. September tagte der Hamburger Schulausschuss.
In einer öffentlichen Sitzung im Rathaus ging es um den Stand der Inklusion in Hamburgs Schulen.
Sechs Experten waren geladen.
Aus den Bereichen Schule, Wissenschaft, Sonderpädagogik, Zivilgesellschaft und Elternvertretung.
So sollte eine fachlich fundierte und differenzierte Diskussion ermöglicht werden.
Tatsächlich ging es in der gesamten Sitzung sehr fachlich zu.
Viele wichtige Aspekte wurden behandelt.
Und es gab viele kluge Fragen und Antworten.
Hamburg wurde gelobt für sein klares Bekenntnis zur Inklusion.
Und für die Fortschritte, die die Stadt im Bereich der schulischen Inklusion bereits erzielt habe.
Hamburg wurde aber auch aufgefordert, in Sachen Inklusion nicht stehen zu bleiben.
Denn trotz der vielen Ressourcen, die Hamburg in den letzten Jahren in den inklusiven Umbau seines Schulsystems investiert hat, arbeiten noch längst nicht alle Schulen inklusiv.
Eins allerdings wurde in der gesamten Debatte außer acht gelassen.
Nämlich die Frage:
Was bedeutet eigentlich Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention?
Und was genau heißt das für Schulen?
Beider Staatenprüfung vor einem Jahr in Genf hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehr deutlich erklärt:
Deutschland hält nach wie vor an seinen Sondersystemen für Menschen mit Behinderungen fest.
Damit verstößt Deutschland gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Auch Hamburg hat nach wie vor ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem.
Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen (einschließlich der Bildungsabteilungen an den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren) und 5 privaten Sonderschulen.
Dass dieses Sondersystem nicht vereinbar ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention, dazu gab es in der gesamten Sitzung kein einziges Wort.
Weder von den geladenen Experten noch von den Mitgliedern des Schulausschusses.
Im Gegenteil:
Einige Experten lobten ausdrücklich „Hamburgs großartiges Elternwahlrecht“.
Dabei haben das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention in Berlin längst klar gemacht:
Ein Elternwahlrecht ist nicht vereinbar mit der UN-Behindertenrechtskonvention.
Wenn, dann dürfte es höchstens ein Schülerwahlrecht geben.
Und das auch nur, wenn Schülerinnen und Schüler tatsächlich eine echte Wahlfreiheit haben.
Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wurde auch die Sicht auf Behinderung neu definiert.
Nicht mehr ein Mensch an sich ist behindert.
Sondern ein Mensch wird behindert.
Und zwar durch das Wechselspiel von individuellen Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren.
Diese menschenrechtliche Sicht auf Behinderung wurde in der gesamten Ausschuss-Sitzung viel zu selten berücksichtigt.
Dabei hat sie entscheidende Konsequenzen für die Umsetzung von inklusiver Bildung.
Es geht nämlich nicht mehr länger darum, welche Beeinträchtigungen und Defizite ein Kind hat.
Sondern es geht um die Frage:
Was braucht ein Kind, um bestmöglich an Bildung teilhaben zu können?
Diese Frage muss für jedes Kind gestellt werden. Und zwar unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder eben einer Behinderung.
Denn:
Inklusion unterscheidet nicht mehr nach Kategorien und Gruppen. Inklusion bezieht alle mit ein.
In der Diskussion im Schulausschuss ging es ausschließlich um Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarfen.
Entweder im Bereich Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung.
Oder im Bereich kognitive und körperlich-motorische Beeinträchtigungen.
Es ging um Diagnostik und um die Zuordnung zu sonderpädagogischen Förderschwerpunkten, die über Art und Umfang der Förderung entscheiden.
Solch ein Ansatz, der zwischen behindert und nicht-behindert unterscheidet, widerspricht den Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention.
Ein weiterer zentraler Aspekt fehlte in der gesamten Diskussion:
Inklusion ist keine Frage des Wollens.
Inklusion ist ein Menschenrecht.
Damit steht Inklusion über der Selbstbestimmung von Schulen.
Im Klartext heißt das:
Nicht die einzelne Schule entscheidet darüber, ob sie Inklusion möchte oder nicht.
Jede Schule ist zur Inklusion verpflichtet.
Ein klares Bekenntnis zur Inklusion bedeutet, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umzusetzen.
Dazu gehört auch der Abbau schulischer Sondersysteme.
Diesen Schritt scheint Hamburg nach wie vor nicht gehen zu wollen.
Nun ist sie endlich öffentlich: die Evaluation der Hamburger Schulbegleitung!
Ihr erinnert euch?
Vor drei Jahren erhielt die Universität Oldenburg vom Hamburger Senat den Auftrag, Schulbegleitungen in Hamburg zu untersuchen.
Und zwar verbunden mit den Fragen:
Wie sieht die Gruppe der Schülerinnen und Schüler aus, die in Hamburg Schulbegleitung erhält?
Wie sieht die Gruppe der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter aus?
Wie sehen die formalen Merkmale der Schulbegleitungen aus?
Welche Erwartungen werden an Schulbegleitungen gestellt? Wie werden sie wahrgenommen?
Welche Stärken und Schwächen hat das gegenwärtige Verfahren der Schulbegleitungen?
Wie lassen sich Schulbegleitungen in Hamburg verbessern?
Zwei Jahre lang (von Anfang 2022 bis Ende 2023) haben Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler der Universität Oldenburg zu diesen Fragen geforscht.
Im Juni 2024 haben sie dem Senat ihren fertigen Abschlussbericht vorgelegt.
Danach sah es zunächst so aus, als würde der Bericht für längere Zeit in nicht-öffentlichen Fächern der Schulbehörde verschwinden.
Zur internen Auswertung – so hieß es vom Senat.
Im Juli hat sich der Senat dann doch dazu entschieden, den fertigen Abschlussbericht im Transparenzportal der Stadt Hamburg zu veröffentlichen.
Inzwischen hat sich die Ombudsstelle als feste Größe für die Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt etabliert.
Jährlich nutzen mehrere hundert Menschen die Ombudsstelle als Anlaufstelle für Fragen und Beschwerden rund um das Thema Eingliederungshilfe.
Doch was macht die Ombudsstelle Eingliederungshilfe eigentlich genau?
Auch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an der Welt, in der wir leben.
Damit Teilhabe gut gelingen kann, gibt es inzwischen ein eigenes Gesetz dazu.
Nämlich das Bundesteilhabegesetz.
Das Bundesteilhabegesetz zeigt auf, wie Teilhabe aussieht und welche besonderen Leistungen es gibt, um Menschen mit Behinderungen bei einem möglichst selbstbestimmten Leben zu unterstützen.
Diese Leistungen werden als Leistungen zur Teilhabe oder auch als Eingliederungshilfe bezeichnet.
Noch läuft in Hamburg nicht alles rund bei der Umsetzung von Teilhabe-Leistungen.
Es gibt viele Probleme mit Behörden und Ämtern.
Menschen mit Behinderungen warten zu lange auf Leistungen, die ihnen zustehen.
Oder sie erhalten nicht die Leistungen, die sie brauchen.
Weil es an ausreichend Assistenz oder Angeboten fehlt.
Das frustriert und verärgert.
Bei der Ombudsstelle finden Betroffene, Angehörige und auch rechtliche Betreuer ein offenes Ohr.
Hier können sie ihren Ärger und ihre Beschwerden einbringen.
Die Ombudsstelle Eingliederungshilfe hört nicht nur zu.
Die Ombudsstelle hilft auch bei konkreten Problemen mit Leistungsträgern und Leistungsanbietern.
Damit Menschen mit Behinderungen möglichst schnell die Leistungen erhalten, die ihnen zustehen.
Träger der Leistungen zur Teilhabe können sein:
die gesetzlichen Krankenkassen,
die Bundesagentur für Arbeit,
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte,
die Träger der Sozialen Entschädigung (ehemals Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge),
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und
die Träger der Eingliederungshilfe.
Diese sieben Leistungsträger werden auch als Rehabilitationsträger bezeichnet.
Die Leistungsträger überprüfen den Leistungsanspruch und stellen anschließend das Geld für eine Leistung zur Verfügung.
Die Leistungsanbieter sind für die Erbringung der Leistungen zuständig.
Fachleute sprechen von einem Sozialleistungs-Dreieck, bestehend aus Träger, Erbringer und Berechtigtem.
In diesem Dreieck unterstützt und stärkt die Ombudsstelle die Rechte und Interessen der Leistungsberechtigten.
Denn auch wenn das Sozialleistungs-Dreieck im Bild ganz einfach aussieht, ist es in der Praxis mehr als kompliziert.
Ärger und Frust haben Auswirkungen auf die Kommunikation .
Dinge werden missverstanden.
Die Fronten verhärten sich.
Manchmal kommt es zum offenen Streit.
Oder man redet nicht mehr miteinander.
Auch in solchen Fällen unterstützt die Ombudsstelle.
Sie fördert Gespräche und vermittelt bei Streit – um gute Lösungen für Menschen mit Behinderungen zu finden.
Jedes Jahr schreibt die Ombudsstelle einen ausführlichen Bericht.
Dieser Bericht richtet sich vor allem an Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung.
Und natürlich an die Leistungsträger und die Leistungsanbieter.
Der Bericht soll zeigen:
Was läuft in Hamburg noch nicht rund in Sachen Eingliederungshilfe und Teilhabe?
Wo sollte sich etwas ändern?
Was könnte verbessert werden?
Aber auch:
Wo in Hamburg gelingt bereits erfolgreich Teilhabe für Menschen mit Behinderungen?
Gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an Arbeit?
Davon sind zu viele Menschen mit Behinderungen in Hamburg immer noch weit entfernt.
Bei der letzten deutschen Staatenprüfung im August 2023 in Genf hat der UN-Fachausschuss erneut scharf kritisiert, dass Menschen mit Behinderungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt werden.
Gleichzeitig forderte der UN-Fachausschuss:
Die in Deutschland immer noch vorherrschenden Sonderstrukturen müssen endlich abgebaut und der Arbeitsmarkt für alle offen und barrierefrei gestaltet werden.
1. Hamburg will Werkstätten für behinderte Menschen weiterentwickeln und stärken.
Es ist kaum zu glauben:
Die meisten der im Landesaktionsplan vorgestellten Maßnahmen zum Handlungsfeld „Arbeit und Beschäftigung“ konzentrieren sich tatsächlich auf die Weiterentwicklung und Stärkung von Werkstätten für behinderte Menschen.
Wie beim Thema Bildung setzt Hamburg also auch beim Thema Arbeit darauf, das Sondersystem umzugestalten und zu „verbessern“.
Anstatt den regulären Arbeitsmarkt inklusiver zu gestalten.
Konkret plant Hamburg folgendes:
Digitalisierung und Kommunikationsmöglichkeiten im Arbeitsbereich der Werkstätten sollen verbessert werden.
Das Mobilitätstraining in Werkstätten soll ausgeweitet werden.
Beschäftigungsangebote und Teilhabe-Ziele der Werkstatt-Beschäftigten sollen besser aufeinander abgestimmt werden.
Es soll feste Quoten geben für Außenarbeitsplätze. Und eine Mindestzahl für Übergänge aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollen Werkstätten und Inklusionsbetriebe deutlich bevorzugt werden.
Diese Maßnahmen entsprechen nicht den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention!
Um die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen, muss der gesamte Ausbildungs- und Arbeitssektor in Deutschland umgebaut und inklusiv gestaltet werden.
Segregierende Sonderstrukturen sind und bleiben konventionswidrig.
2. Hamburg will das Budget für Arbeit weiterentwickeln und ausbauen.
Neben der Stärkung von Werkstätten will Hamburg das Budget für Arbeit weiterentwickeln und ausbauen.
Das Budget für Arbeit ist für behinderte Menschen mit einer sogenannten Werkstattberechtigung bestimmt, die nicht oder nicht mehr länger in einer Werkstatt arbeiten wollen.
Eigentlich ist es Aufgabe der Werkstätten, ihre Beschäftigten zu qualifizieren und langfristig auf den regulären Arbeitsmarkt zu vermitteln.
Allerdings haben es die Werkstätten bis heute nicht geschafft, diesem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden.
Die Vermittlungsquote der Werkstätten liegt nach wie vor bei deutlich unter 1 Prozent.
Das Budget für Arbeit soll Menschen in Werkstätten einen neuen Weg öffnen, um es auf den regulären Arbeitsmarkt zu schaffen.
Und zwar zusätzlich zu dem bislang nicht wirklich erfolgreichen Weg über die Werkstätten.
Interessant ist nun, was Hamburg mit dem Budget für Arbeit vorhat:
Es soll möglich werden, das Budget für Arbeit bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag auch unbefristet zu bewilligen.
Werkstätten und weitere Leistungserbringer der Eingliederungshilfe sollen als Begleitdienste im Budget für Arbeit zugelassen werden.
Die zwei Hamburger Werkstätten für behinderte Menschen (Elbe-Werkstätten GmbH und alsterarbeit gGmbH) sollen das Budget für Arbeit bei Arbeitgebern bekannter machen.
In einem Modellprojekt sollen zwei ausgelagerte Arbeitsgruppen der Elbe-Werkstätten in reguläre Arbeitsverhältnisse überführt werden. Außerdem soll mit beiden Werkstätten vereinbart werden, wie viele Werkstatt-Beschäftigte in ein Arbeitsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden müssen.
Die Sozialbehörde plant eine Öffentlichkeitskampagne zum inklusiven Arbeitsmarkt.
Die Stadt Hamburg als öffentlicher Arbeitgeber will im Rahmen des Budgets für Arbeit mehr Arbeitsplätze für behinderte Menschen einrichten.
Die letzten beiden Punkte sollen vermutlich ebenfalls in enger Zusammenarbeit mit den Werkstätten umgesetzt werden.
Hamburg dreht damit in seinen Plänen einen entscheidenden Teil des Budgets für Arbeit einfach um.
Anstatt neue Alternativen zu den Werkstätten zu fördern und zu stärken, soll das Budget für Arbeit eng an die Werkstätten geknüpft werden.
Die Werkstätten sollen dafür zuständig werden, das Budget für Arbeit zu bewerben und umzusetzen.
Werkstatt-Beschäftigte, die auf den regulären Arbeitsmarkt vermittelt werden, sollen im Unterstützungssystem der Werkstätten eingebunden bleiben.
So werden die alten Sonderstrukturen erhalten und für die Zukunft gesichert.
Das widerspricht den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention.
3. Behinderung wird weiterhin als Einschränkung gesehen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention macht deutlich:
Ein Mensch ist nicht behindert. Er wird behindert.
Diese Aussage kennzeichnet ein neues Verständnis von Behinderung.
Behinderung wird nicht mehr als Defizit eines Menschen betrachtet.
Behinderung entsteht, wenn ein Mensch durch das Zusammenwirken von persönlichen Merkmalen und gesellschaftlichen Barrieren von gleichberechtigter Teilhabe ausgeschlossen wird.
Die im Hamburger Landesaktionsplan 2023 vorgestellten Maßnahmen im Handlungsfeld „Arbeit und Beschäftigung“ dagegen gehen weiterhin davon aus, dass Menschen mit Behinderungen per se eingeschränkt sind.
Und damit nicht so gut funktionieren wie Menschen ohne Behinderungen.
Zwar wird betont, dass Menschen mit Behinderungen durchaus Kompetenzen haben können.
Trotzdem wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie in ihrer Leistungsfähigkeit nicht mit Menschen ohne Behinderung mithalten können.
Daraus wird gefolgert:
Menschen mit Behinderungen brauchen einfache Aufgaben und Arbeitsabläufe.
Menschen mit Behinderungen brauchen dauerhafte Unterstützung.
Und: Ihre Arbeit muss auf Dauer subventioniert werden.
Hier wird an ein altes, immer noch tief verwurzeltes medizinisch geprägtes Bild von Behinderung angeknüpft.
Diese Sicht auf Behinderung entspricht nicht den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention.
4. Mein Fazit: Entscheidendes fehlt!
Der Hamburger Landesaktionsplan 2023 zeigt:
Hamburg hält am Sondersystem der Werkstätten fest und erklärt die Umsetzung des Budgets für Arbeit zum Ziel seiner inklusiven Arbeitsmarktpolitik.
Das ist erschreckend wenig und wird kaum dazu beitragen, den Arbeitsmarkt inklusiver zu gestalten.
Inklusion auf dem Arbeitsmarkt funktioniert nur, wenn sich der Arbeitsmarkt an sich verändert.
Barrieren müssen abgebaut und der Arbeitsmarkt für alle zugänglich werden.
Gleichzeitig müssen die nach wie vor bestehenden Sonderstrukturen zügig abgebaut werden.
Das bedeutet zum Beispiel:
Menschen mit Behinderungen müssen ihre Arbeit frei wählen können.
Sie müssen die Chance erhalten auf eine anerkannte Ausbildung im Regelsystem.
Behinderung darf nicht mehr länger als Einschränkung und Last verstanden werden.
Alle Menschen haben Potentiale, die es für den Arbeitsmarkt zu entdecken und zu erschließen gilt.
Daraus folgt auch: Die Arbeit von Menschen mit Behinderungen muss endlich angemessen entlohnt werden, damit sie ihren Lebensunterhalt darüber bestreiten können.
Zu all dem verliert der Hamburger Landesaktionsplan kein einziges Wort.
Übrig bleibt noch eine letzte Frage:
Wie konnte es passieren, dass die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention für einen inklusiven Arbeitsmarkt im Hamburger Landesaktionsplans 2023 so falsch verstanden wurden?
Alle Maßnahmenvorschläge, die Werkstätten für behinderte Menschen betreffen, wurden von der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen eingereicht.
In der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen haben sich die beiden Hamburger Werkstätten für Menschen mit Behinderung (alsterarbeit gGmbH und Elbe-Werkstätten GmbH), der Bergedorfer Impuls gGmbH, arinet, die Stiftung Rauhes Haus und die Hamburger Arbeitsassistenz gGmbH als Leistungsanbieter der Eingliederungshilfe zusammengeschlossen.
Auf ihrer Website hebt die Landesarbeitsgemeinschaft hervor, wie eng sie mit den Leistungsträgern der Eingliederungshilfe und Rehabilitation und mit den relevanten Akteuren aus Politik und Verwaltung zusammenarbeitet.
Wie erfolgreich sie dabei ist, zeigt sich am Hamburger Landesaktionsplan.
Hier wurde auf eine schlagkräftige Lobby-Vereinigung gehört – und nicht auf die UN-Behindertenrechtskonvention. Oder auf Menschen mit Behinderungen und deren Selbstvertretungsorganisationen.
Die Überraschung war groß, als ich vor einigen Tagen unseren Briefkasten öffnete.
Ein Brief vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales lag darin.
Mit der lange ersehnten Antwort auf unseren Offenen Brief!
Ich bin ehrlich: Ich selbst hatte eine Antwort längst abgeschrieben.
Immerhin ist es fast ein halbes Jahr her, dass wir unseren Offenen Brief in Berlin übergeben haben. Und zwar an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und an das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Doch nun ist die Antwort darauf endlich da. Und das ist gut so.
Zwar steht in der Antwort nicht:
Die Bundesregierung plant, bis 2030 alle Förderschulen in Deutschland abzuschaffen.
So etwas zu erwarten, wäre auch nicht realistisch gewesen.
Aber die Antwort zeigt:
Beide Bundesministerien haben sich bewegt!
Beide Bundesministerien haben unser Anliegen und damit das Menschenrecht auf inklusive Bildung doch noch ernst genommen und nicht mehr länger ignoriert.
Beide Bundesministerien haben miteinander gesprochen und tatsächlich gemeinsam geantwortet.
Beide Bundesministerien geben zu, dass Deutschland auch 15 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention immer noch „vor wesentlichen Herausforderungen auf dem Weg in ein durchweg inklusives Bildungssystem “ steht.
Beide Bundesministerien scheinen die Abschließenden Bemerkungen aus Genf ernst zu nehmen.
Und: Es heißt nicht mehr länger „Bildung ist ausschließlich Ländersache“.
So wie noch vor wenigen Monaten.
Stattdessen erklären die Vertreterinnen beider Bundesministerien:
„Die Bundesregierung unterstützt die Länder nach Kräften bei der Umsetzung der inklusiven Bildung.“
Fachlich zuständig für Inklusive Bildung ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Konkret unternommen hat dieses Ministerium bislang kaum etwas, um die Umsetzung von inklusiver Bildung in Deutschland voranzutreiben.
In der Antwort aus Berlin wird darauf hingewiesen, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung gezielte Forschungsförderung betreibe im Bereich der inklusiven Bildung.
Doch Forschungsförderung alleine reicht nicht aus, um inklusive Bildung endlich umzusetzen.
Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat in seinen abschließenden Bemerkungen konkrete nächste Schritte vorgeschlagen.
Die Antwort aus Berlin weist auf den demnächst beginnenden Follow-upProzess hin.
Im Follow-up Prozess wird die Umsetzung der UN-Empfehlungen genau überprüft.
Und zwar unter enger Beteiligung der Verbände von Menschen mit Behinderungen und der Zivilgesellschaft.
Und das sind auch wir!
Hier werden wir als Eltern weiter ansetzen und euch auf dem laufenden halten.
Versprochen!
Wir Eltern von #WirWarenInGenf werden dran bleiben und nicht locker lassen.
Am 26. März 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet.
15 Jahre später ist unser Land immer noch meilenweit entfernt von einer erfolgreichen Umsetzung vieler der in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebenen Menschenrechte.
Darum habe ich heute folgende Pressemitteilung zum Stand der inklusiven Bildung in Hamburg verschickt:
Pressemitteilung
22. März 2024
15 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention, 15 Jahre inklusive Bildung
In Hamburg immer noch kein Grund zum Feiern
Hamburgs Schulen sind noch weit davon entfernt, tatsächlich inklusiv zu sein
Was die Umsetzung von inklusiver Bildung angeht, gilt Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern als sehr erfolgreich.
Trotzdem ist die Stadt auch 15 Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention immer noch weit entfernt von einem inklusiven Bildungssystem für alle.
Seit mehreren Jahren stagniert Hamburgs Exklusionsquote. Die Schulbehörde geht davon aus, dass sich hieran bis 2035 nichts ändern wird.
Die allermeisten Kinder und Jugendlichen, die in Hamburg inklusiv beschult werden, besuchen Grundschulen und Stadtteilschulen. An Gymnasien findet Inklusion nach wie vor kaum statt.
Immer noch gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem. Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen und 5 privaten Sonderschulen.
Mehr als die Hälfte aller Hamburger Schülerinnen und Schüler mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen besucht nach wie vor eine Sonderschule.
Entscheiden sich die Eltern dieser Kinder für eine inklusive Beschulung, stehen ihnen dafür nur sogenannte Schwerpunktschulen offen.
Nur 68 von 380 Hamburger Regelschulen sind Schwerpunktschulen. Nur wenige davon haben sich bislang intensiv damit beschäftigt, schuleigene Konzepte für eine inklusive Schule und eine individualisierte Unterrichtsgestaltung zu erarbeiten. Die Gefahr ist groß, dass die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen zu einer neuen Sonderform wird in einem ansonsten weiterhin nicht inklusivem Regelsystem.
Der neue Hamburger Landesaktionsplan 2023 zeigt: Hamburg will weiterhin am sogenannten Elternwahlrecht und damit am schulischen Sondersystem festhalten. Anstelle eines inklusiven Umbaus des gesamten Bildungssystems plant die Stadt, ihr schulisches Sondersystem zu überarbeiten und zu „verbessern“.
Erst im vergangenen Sommer ist Deutschland von der UNO zum zweiten Mal in einer Staatenprüfung heftig kritisiert worden:
Nach wie vor gebe es in Deutschland zu viele Sonderschulen und zu viele Probleme bei der inklusiven Beschulung von Kindern mit Behinderungen.
Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung hat die Bundesregierung mit Nachdruck dazu aufgefordert, den inklusiven Umbau des gesamten Bildungssystems deutlich zu beschleunigen.
Vor allem die Bundesländer müssten endlich konkrete Aktionspläne erstellen, die tatsächlich mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention übereinstimmen.
Dies kommt einer beispiellosen Bloßstellung der Länder gleich.
Die Länder haben der UN-Behindertenrechtskonvention bereits am 19. Dezember 2008 einstimmig und verbindlich im Bundesrat zugestimmt. Trotzdem verzögern und verschleppen sie seitdem in ihrer Schulpolitik die notwendige inklusive Schulreform.
Eltern behinderter Kinder aus mehreren Bundesländern haben jüngst in einem Offenen Brief – unterstützt von mehr als 140 Organisationen – die Bundesregierung aufgefordert, Druck auf die säumigen Landesregierungen aufzubauen.
Erst vor wenigen Tagen hat der Europarat seinen Staatenbericht zur Menschenrechts-Lage in Deutschland veröffentlicht. Darin kritisiert er, dass ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen und die Inklusion in Deutschland nach wie vor durch ausgrenzende Strukturen wie Sonderschulen und Werkstätten für behinderte Menschen äußerst erschwert sind.
Immer mehr Eltern in Hamburg kehren der schulischen Inklusion den Rücken zu.
Zu wenig Ressourcen, zu wenig Förderung und zu wenig Verlässlichkeit, so heißt es von allen Seiten.
Gleichzeitig bemängeln erste Eltern an Sonderschulen, dass auch dort immer mehr Sonderpädagogen und Fachkräfte fehlen.
Dies zeigt:
Ein dauerhaftes Vorhalten von Sondersystem und Regelsystem, wie es Hamburg langfristig plant, ist angesichts von Lehrermangel und knapper Kassen zum Scheitern verurteilt.
Außerdem verstößt es gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
Hamburgs Senat ist aufgefordert
sich klar zur UN-Behindertenrechtskonvention zu bekennen und sich mit Nachdruck und verbindlich für die vollständige Umsetzung von inklusiver Bildung einzusetzen.
das Ergebnis der Staatenprüfung ernst zu nehmen und einen wirksamen Aktionsplan fürden Ausbau inklusiver Schulen vorzulegen.
Dieser Aktionsplan muss einen konkreten Zeitplan enthalten, bis wann der inklusive Umbau des gesamten Schulsystems abgeschlossen sein soll.
Er muss die notwendigen Maßnahmen für Schulentwicklung, Qualität und Personal enthalten und koordinieren.
Und er muss klare Verantwortlichkeiten für die Steuerung der inklusiven Entwicklung benennen sowie eine ausreichende Finanzierung hinterlegen.
Alle Bundesländer – und damit auch Hamburg – müssen endlich die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllen und den Übergang vom Sonderschulsystem in ein inklusives Regelschulsystem zeitnah und verbindlich umsetzen.
Nach der letzten Staatenprüfung im August 2023 zeigte sich der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen äußerst besorgt über die unzureichende Umsetzung von inklusiver Bildung in Deutschland.
Ganz besonders kritisierte er die weite Verbreitung von Förderschulen und Förderklassen.
Und die vielen Probleme, auf die behinderte Kinder, Jugendliche und ihre Familien stoßen, wenn sie sich für eine inklusive Beschulung entscheiden.
Im Landesaktionsplan wird zunächst die Entwicklung der schulischen Inklusion seit ihrer Einführung im Jahr 2012 vorgestellt.
Das ganze liest sich wie eine reine Erfolgsgeschichte.
Tatsächlich hat Hamburg im Vergleich mit anderen Bundesländern eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt.
Allerdings:
Die Stadt ist immer noch weit entfernt von einem inklusiven Schulsystem für alle.
Nach wie vor gibt es in Hamburg ein gut ausgebautes schulisches Sondersystem. Bestehend aus 26 staatlichen Sonderschulen und 5 privaten Sonderschulen.
Hier werden rund 40 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen unterrichtet. Mit steigender Tendenz.
Die allermeisten Kinder und Jugendlichen, die in Hamburg inklusiv beschult werden, besuchen Grundschulen und Stadtteilschulen. An Gymnasien findet Inklusion dagegen nach wie vor kaum statt.
Bereits seit mehreren Jahren stagniert die jährliche Exklusionsquote. Das heißt: Der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Sonderschulen geht im Vergleich zu allen Hamburger Schülern nicht weiter zurück.
Die Hamburger Schulbehörde geht davon aus, dass sich hieran bis mindestens 2035 nichts ändern wird.
Die meisten Kinder und Jugendlichen mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen nehmen an inklusiver Bildung nach wie vor nicht teil.
Als Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedarfen werden sie überwiegend an Sonderschulen unterrichtet.
Im Schuljahr 2023/24 besuchten 2588Schüler mit speziellen Förderbedarfen Sonderschulen.
Nur 1650 Schüler mit speziellen Förderbedarfen wurden inklusiv an Regelschulen unterrichtet.
Zum Vergleich:
Zu Beginn der schulischen Inklusion 2012/13 besuchten 1986 Schüler mit speziellen Förderbedarfen Sonderschulen und 1326 Regelschulen.
Außerdem steigt seit einigen Jahren die Zahl autistischer Schülerinnen und Schüler an Sonderschulen.
Das gleiche gilt für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Emotional-soziale Entwicklung, unter ihnen viele mit FASD.
Nur Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Lernen und Sprache konnten bislang mehrheitlich von der schulischen Inklusion profitieren. Sie werden inzwischen überwiegend an Regelschulen unterrichtet.
Dies alles zeigt:
Hamburgs angeblich so erfolgreiche Inklusion ist bislang nur eine sehr eingeschränkte Inklusion.
Weite Teile des Hamburger Schulsystems sind weiterhin auf Absonderung und Trennung ausgerichtet.
Was plant Hamburg in Sachen schulische Inklusion?
1. Hamburg will an seinen Sonderschulen festhalten.
Damit Eltern behinderter Kinder weiterhin eine Wahl haben zwischen Sonderschule und Regelschule, will Hamburg am Sonderschulsystem festhalten.
Dies steht im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention.
Die UN-Behindertenrechtskonvention sagt klar und deutlich:
Alle Kinder und Jugendlichen sollen gemeinsam unterrichtet werden.
Nach der Staatenprüfung im August 2023 hat der UN-Ausschuss Deutschland dazu aufgefordert, einen umfassenden Plan zu erstellen, wie der Übergang vom Sonderschulsystem in ein inklusives Regelschulsystem möglichst zügig umgesetzt werden kann.
Und zwar mit einem konkreten Zeitrahmen.
Mit der Zuweisung von personellen, technischen und finanziellen Ressourcen.
Und mit klaren Verantwortlichkeiten für die Umsetzung und Überwachung.
Darüber verliert der Hamburger Landesaktionsplan kein einziges Wort.
Stattdessen reduziert sich Hamburgs Planung darauf, „dass der Besuch einer allgemeinen Schule einen Mehrwert gegenüber anderen Schulformen bieten muss – durch konsequent gelebte Inklusion und ein positives Schulerlebnis besonders auch für Menschen mit Behinderungen.“
Als Mutter eines Kindes mit Behinderung bin ich fassungslos.
Bei inklusiver Bildung geht es um viel mehr als „positive“ Schulerlebnisse für Menschen mit Behinderungen.
Es geht um bestmögliche Bildung für alle.
Damit alle jungen Menschen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll entfalten können.
2. Hamburg will Schwerpunktschulen weiter stärken.
Hamburg hat das Recht auf inklusive Beschulung in seinem Schulgesetz festgeschrieben.
Allerdings bedeutet das nicht automatisch, dass behinderte Kinder und deren Eltern die freie Schulwahl haben.
Kinder und Jugendliche mit speziellen Förderbedarfen sollen an sogenannten Schwerpunktschulen unterrichtet werden.
Schwerpunktschulen sind Schulen, die als besonders erfahren und ausgestattet gelten, was den Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen angeht.
Fast alle Schwerpunktschulen haben bereits vor Einführung der Inklusion mit Integrationsklassen und integrativen Regelklassen gearbeitet.
Insgesamt gibt es in Hamburg 68 Schwerpunktschulen.
Nämlich 40 Grundschulen und 28 Stadtteilschulen, die sich sehr ungleichmäßig über das Stadtgebiet verteilen.
183 Grundschulen, 55 Stadtteilschulen und 74 Gymnasien sind keine Schwerpunktschulen.
Das bedeutet:
Nur jede 5. Hamburger Schule ist eine Schwerpunktschule.
Bereits der Landesaktionsplan 2019 sah vor, Schwerpunktschulen zu stärken.
Unter dem Namen „möglichmacher*“ entwickelte die Schulbehörde ein Modellprojekt, um ausgewählte Schwerpunktschulen bei ihrer inklusiven Schulentwicklung zu stärken und zu unterstützen.
An diesem Projekt beteiligten sich bislang 7 Grundschulen und 4 Stadtteilschulen.
Im neuen Landesaktionsplan bleibt offen, ob die Maßnahme „Schwerpunktschulen stärken“ diesmal alle Schwerpunktschulen mit einschließt.
Oder ob sie sich erneut nur auf ausgewählte Schwerpunktschulen konzentriert.
Sicher ist:
Nur ein kleiner Teil aller Hamburger Schwerpunktschulen scheint sich bislang intensiv damit beschäftigt zu haben, schuleigene Konzepte für eine inklusive Schule und eine individualisierte Unterrichtsgestaltung zu erarbeiten.
Dies erklärt auch, warum Eltern von inklusiv beschulten Kindern immer wieder über Schwierigkeiten berichten: bei Nachteilsausgleichen und Förderplanung, beim zieldifferenzierten Unterricht, bei der Zuweisung von Ressourcen oder der Zusammenarbeit mit Therapeuten.
Grundsätzlich halte ich das Konzept der Schwerpunktschulen für problematisch.
Zum einen geht es von einem medizinisch geprägten Behinderungsbegriff aus, der Beeinträchtigungen als Defizite ansieht.
Aufgrund dieser „Beeinträchtigungen“ sollen Schülerinnen und Schüler mit speziellen Förderbedarfen nur an besonders ausgestatteten Schulen oder spezialisierten Sonderschulen unterrichtet werden.
Zum andern ist die Gefahr groß, dass Schwerpunktschulen zu inklusiven Sonderformen werden in einem ansonsten weiterhin nicht inklusivem Regelsystem.
3. Verbesserung der Beratungs- und Bildungsangebote
Der Landesaktionsplan 2023 sieht vor, Beratungsangebote und Bildungsangebote für Familien mit behinderten Kindern deutlich zu verbessern.
Und zwar über einen auf 5 Jahre angelegten Organisationsentwicklungsprozess.
Zuständig für den geplanten Organisationsentwicklungsprozess sind die speziellen Sonderschulen, die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren und das Bildungs- und Beratungszentrum Pädagogik bei Krankheit/Autismus.
Ziel des Organisationsentwicklungsprozesses ist es, Strukturen und Prozesse der speziellen Sonderschulen und Beratungszentren zu überarbeiten und neu aufzustellen:
um individuelle und flexible Bildungsverläufe zu ermöglichen und Bildungschancen zu vergrößern,
um die Teilhabe an Bildung und sozialem Miteinander zu verbessern,
und um die Zusammenarbeit untereinander sowie mit verschiedenen Professionen zu intensivieren und zu erweitern.
Es sollen also die speziell für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen gedachten besonderen Bildungs- und Beratungsangebote neu gestaltet und verbessert werden.
Allerdings: So funktioniert keine Inklusion.
Inklusion bedeutet nicht, das Sondersystem umzugestalten.
Inklusion bedeutet, das Gesamtsystem Schule von Grund auf umzubauen und inklusiv zu gestalten.
4. Verbesserung der Barrierefreiheit
Bereits der erste Landesaktionsplan aus dem Jahr 2012 sah vor, die bauliche Barrierefreiheit an Hamburgs Schulen zu verbessern.
Seitdem betont der Senat gerne und regelmäßig, dass er jedes Jahr sehr viel Geld investiert, um Hamburgs Schulgebäude barrierefreier zu machen.
Als konkrete Maßnahme im Landesaktionsplan 2023 ist vorgesehen, alle Schulneubauten nach DIN 18040-1 barrierefrei zu planen und zu errichten.
Bei Sanierungen und Umbauten sollen zusätzliche Leistungen zur Barrierefreiheit nach individuellem Bedarf und entsprechend der DIN umgesetzt werden.
Damit knüpft der Landesaktionsplan 2023 nahtlos an die bisherige Schulpolitik des Senats an.
Doch was heißt das genau?
Werden Schulen in Hamburg neu gebaut, erhalten sie gemäß DIN 18040-1 automatisch Aufzüge, barrierefreie Zugänge und behindertengerechte WCs.
Neu gegründete Schwerpunktschulen erhalten außerdem eine zusätzliche Fläche von 24 Quadratmetern pro Zug. Hier können bei Bedarf Pflegeräume eingerichtet werden.
Weitere Bedarfe an Barrierefreiheit sollen zu Beginn der Bauvorhaben in Abstimmung mit der Schule ermittelt werden.
An dieser Stelle lohnt es, etwas tiefer zu gehen.
Und zwar mit der Frage: Welche Kriterien wendet Hamburg an bei der Gestaltung von Barrierefreiheit an Schulen?
In Hamburg werden Schulen als halb-öffentliche Gebäude betrachtet.
Es gibt den öffentlichen Bereich einer Schule. Nämlich das Schulbüro, Gemeinschaftsflächen und die Sporthalle.
Alle übrigen Schulräume werden in erster Linie von Schülern und Lehrern genutzt.
Damit gelten diese Räume aus Sicht der Schulbehörde als nicht öffentlich.
Entsprechend reduzieren sich die Anforderungen an Barrierefreiheit.
Was das bedeutet, zeigt sich bei der Sanierung bereits bestehender Schulen.
Werden bereits bestehende Schulen saniert, erhalten sie behindertengerechte Zugänge zu allen öffentlichen Bereichen.
Also zu Sporthallen, Schulbüros und Gemeinschaftsflächen. Außerdem soll mindestens ein behindertengerechtes WC je Schule geschaffen werden.
Für bestehende Schwerpunktschulen sind darüber hinaus behindertengerechte Zugänge zu Fachräumen, Ganztagsflächen und zu einzelnen Klassenräumen vorgesehen.
Dabei ist jede Schwerpunktschule aufgefordert, geschaffene barrierefreie Räume – je nach Bedarf – bestimmten Klassen oder Jahrgängen zuzuordnen.
Dies bedeutet: Einzelne Gebäude einer Schwerpunktschule müssen nicht unbedingt einen Aufzug erhalten. Oder einen barrierefreien Zugang.
In einem dreigeschossigen Klassenhaus einer bestehenden Schwerpunktschule reicht es zum Beispiel aus, wenn Klassenräume im Erdgeschoss von Schülerinnen und Schülern mit Rollstuhl erreicht werden können.
Insgesamt ist die bauliche Barrierefreiheit an Hamburgs Schulen also erheblich eingeschränkt.
Sie konzentriert sich nur auf ausgewählte schulische Räume.
Und sie konzentriert sich auf ausgewählte Schulen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention dagegen fordert klar und deutlich:
Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen müssen gleichberechtig Zugang haben zu allen Schulen und zu allen von Schülern genutzten Räumen.
Von einer umfänglichen Barrierefreiheit, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, sind Hamburgs Schulen also noch weit entfernt.
Werden die im Landesaktionsplan 2023 vorgesehenen Maßnahmen ausreichen, um Hamburgs Schulen inklusiver zu machen und so der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein gutes Stück näher zu kommen?
Meine Antwort darauf lautet: NEIN.
Denn Hamburg weigert sich weiterhin, sein Sonderschulsystem aufzugeben.
Gleichzeitig baut Hamburg mit seinen Schwerpunktschulen ein neues, vermeintlich inklusives Sondersystem aus.
Beides hat zur Folge, dass an den meisten Hamburger Schulen nach wie vor keine Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen zu finden sind.
Ihr wisst: Seit über zwei Jahren beschäftige ich mich intensiv mit den Themen Arbeit, Berufsvorbereitung und Ausbildung.
Darum wollte ich natürlich als erstes wissen:
Was sagt der neue Hamburger Landesaktionsplan 2023 zum Thema berufliche Bildung?
In Sachen berufliche Bildung heißt es im Landesaktionsplan:
Was Inklusion im Beruf angeht, hat Hamburg in den letzten Jahren viel getan.
Es gibt bereits vielfältige Unterstützungsangebote.
Trotzdem ist es nötig, den Übergang Schule – Beruf für Lernende noch besser zu gestalten.
Was genau hat Hamburg bereits unternommen?
Seit August 2021 gibt es an allen Berufsschulen sogenannte Inklusionsbeauftragte.
Das sind Lehrer oder Lehrerinnen, die zuvor vom Landesinstitut für Lehrerbildung in Sachen Inklusion ausgiebig geschult worden sind.
Die Inklusionsbeauftragten haben die Aufgabe:
ihre Kollegen in Sachen Inklusion fortzubilden und zu unterstützen,
passende individuelle Unterstützungsangebote für Schülerinnen und Schüler zu entwickeln (einschließlich barrierearmer Lernumgebungen und Unterrichtsmaterialien),
schulische Strukturen inklusiver zu gestalten.
Außerdem bieten die meisten Hamburger Berufsschulen inzwischen eine Ausbildungsvorbereitung dual & inklusiv an. Abgekürzt wird das mit AV dual&inklusiv.
In der inklusiven Ausbildungsvorbereitung werden Jugendliche mit speziellen Förderbedarfen durch Arbeitsassistenzen individuell begleitet und unterstützt.
Daneben werden barrierearme digitale Unterrichtsmaterialien entwickelt, erprobt und evaluiert.
Dazu gehören zum Beispiel Unterrichtsmaterialien in einfacher oder leichter Sprache.
All dies soll im Rahmen des Landesaktionsplans weiter entwickelt und auf die Bildungsgänge der Ausbildung übertragen werden.
Jugendliche mit festgestelltem Unterstützungsbedarf können dann auch im Berufsqualifizierungsjahr und in der dualen oder vollschulischen Ausbildung individuelle Arbeitsassistenzen erhalten.
Alle Lehrkräfte der Berufsschulen werden im Umgang mit barrierearmen digitalen Unterrichtsmaterialien geschult.
Nun ist die spannende Frage:
Wie wirksam sind diese Maßnahmen?
Werden sie möglichst viele junge Menschen mit Behinderungen erreichen?
Und werden sie dazu beitragen, dass mehr junge Menschen mit Behinderungen erfolgreich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgebildet werden?
Bislang hat noch keine Evaluation der bereits umgesetzten Maßnahmen stattgefunden.
Dennoch wage ich einige Überlegungen und Anmerkungen.
1. Neben dem Ausbau der inklusiven Ausbildungsvorbereitung hält Hamburg an der exklusiven Berufsvorbereitung für Menschen mit Behinderungen fest.
Neben der inklusiven Ausbildungsvorbereitung an regulären Berufsschulen gibt es in Hamburg die sogenannte Berufsvorbereitung für Menschen mit Behinderungen.
In der Berufsvorbereitung werden überwiegend junge Menschen mit geistigen Behinderungen auf eine anschließende berufliche Beschäftigung vorbereitet.
Und zwar meist überbetrieblich und in nur wenigen ausgewählten Beschäftigungsfeldern wie Gartenbau oder Hauswirtschaft.
An einem Tag in der Woche besuchen die jungen Menschen eine Berufsschule für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf.
Ein Übergang in eine Ausbildung ist nicht vorgesehen.
Im neuen Landesaktionsplan wird die exklusive Berufsvorbereitung für junge Menschen mit Behinderungen nicht erwähnt.
Ich gehe davon aus, dass sie weiterhin bestehen bleiben wird.
2. Die Exklusivität des „inklusiven“ Übergangsbereichs
Junge Menschen mit Behinderungen, die inklusiv beschult wurden, wechseln nach der Schule so gut wie immer in den sogenannten Übergangsbereich.
Über ein inklusives oder exklusives Ausbildungsvorbereitungsjahr sollen sie auf den Arbeitsalltag vorbereitet werden und berufliche Interessen entwickeln.
Ganz anders ist dies bei Jugendlichen ohne Behinderung.
Bei ihnen bemühen sich Schule und Jugendberufsagentur, einen möglichst nahtlosen Übergang von der Schule in die Ausbildung zu erreichen.
Jugendliche ohne Behinderung wechseln nur dann in den Übergangsbereich, wenn es mit einem Ausbildungsplatz nicht geklappt hat.
Zum Beispiel wegen einem fehlenden Schulabschluss.
Oder wegen schlechter Deutschkenntnisse.
Oder wegen anderer familiärer oder sozialer Probleme.
Das heißt:
Der Übergangsbereich an sich ist bereits exklusiv.
Er wird immer mehr zu einem Auffangbecken für Schülerinnen und Schüler, die die Lernziele der Stadtteilschulen nicht erreicht haben.
3. Der Eingangs- und Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen bleibt weiter bestehen.
Über 4400 Schülerinnen und Schüler wurden im Schuljahr 2022/23 in Hamburg exklusiv an Sonderschulen unterrichtet.
Die allermeisten von ihnen wechseln nach der Schule direkt in den Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen.
Aus den Sonderschulen kommen vor allem Jugendliche mit geistigen Behinderungen, körperlichen Behinderungen, Sinnesbeeinträchtigungen und komplexen Behinderungen.
Auch Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung oder einer Fetalen Alkohol-Spektrum-Störung (FASD) gehören inzwischen dazu.
Im Eingangs- und Berufsbildungsbereich der Werkstätten durchlaufen die jungen Menschen zunächst eine erste Orientierungsphase.
Danach beginnt die sogenannte Berufsbildungszeit.
Über die Berufsbildungszeit soll herausgefunden werden, ob ein junger Mensch mit Behinderung für den allgemeinen Arbeitsmarkt geeignet ist.
Oder ob er in einer Werkstatt oder einer Einrichtung der Tagesförderung besser aufgehoben ist.
Die Berufsbildungszeit dauert meist zwei Jahre.
Das ist relativ lang.
Trotzdem ist die Berufsbildungszeit keine anerkannte berufliche Ausbildung.
Nach Abschluss der Berufsbildungszeit gelten junge Menschen mit Behinderungen weiterhin als ungelernt.
Auch die exklusive Berufsbildungszeit im Eingangs- und Berufsbildungsbereich der Hamburger Werkstätten wird im Landesaktionsplan 2023 nicht erwähnt.
4. Die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit vermittelt ausschließlich in Sonderformen.
Beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt hilft in Hamburg die Jugendberufsagentur.
Und das sehr erfolgreich.
Allerdings:
Für junge Menschen mit Behinderungen ist nicht die Jugendberufsagentur zuständig.
Sondern die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit.
Die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit ist eine eigene Welt für sich.
Die „Berufsberatung“ in der Reha-Abteilung orientiert sich an Angeboten und Maßnahmen, die ausschließlich für junge Menschen mit Behinderungen gedacht sind.
Dazu zählt die Vermittlung in den Eingangs- und Berufsbildungsbereich der Werkstätten.
Außerdem arbeitet die Reha-Abteilung eng mit Bildungsträgern zusammen, die sich auf die Ausbildung von jungen Menschen mit besonderen Förderbedarfen spezialisiert haben.
Anbieter dieser speziellen Ausbildungen sind die Berufliche Schule Uferstraße, das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte und das Berufsbildungswerk Eidelstedt.
Hier können junge Menschen mit Behinderungen entweder eine Vollausbildung oder eine theoriereduzierte Fachpraktiker-Ausbildung machen.
Allerdings nur in wenigen ausgewählten Berufen.
Und so gut wie nie in einem Ausbildungsbetrieb auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Sondern in überbetrieblichen Werkstätten der Bildungsträger.
Und in exklusiven Berufsschulen.
In den allermeisten Fällen führen diese exklusiven Ausbildungen zu keiner dauerhaften Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt.
5. Über neue inklusive Ausbildungsformen wird nicht nachgedacht.
Der Landesaktionsplan sieht vor, die Hamburger Jugendberufsagentur endlich auch für junge Menschen mit Behinderungen zu öffnen.
Das könnte ein wichtiger Schritt sein hin zu einem inklusiven Arbeits- und Ausbildungsmarkt.
Notwendig dafür wäre es allerdings, sich von den an die Werkstätten gebundenen Sonderformen Berufsvorbereitung und Berufsbildungszeit zu verabschieden.
Stattdessen müssten neue Formen der beruflichen Ausbildung entwickelt werden.
In solchen inklusiven Ausbildungen müssten junge Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam in Berufsschulen lernen.
Und sie müssten gemeinsam in Betrieben des regulären Arbeitsmarktes oder in überbetrieblichen Werkstätten ausgebildet werden.
Jeder junge Mensch würde einen eigenen Ausbildungsplan erhalten.
Orientiert an seinen individuellen Stärken und Schwächen.
Am Ende der Ausbildung hätte jeder einen Abschluss – unabhängig von einer Behinderung.
Doch ob das jemals Realität wird?
Solange Hamburg am Sondersystem der Werkstätten festhalten wird, bezweifle ich das sehr.
Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage:
Wie wirksam sind die im Landesaktionsplan 2023 vorgesehenen Maßnahmen zur beruflichen Bildung?
Ich gehe davon aus, dass die vorgesehenen Maßnahmen die meisten jungen Menschen mit Behinderungen gar nicht erreichen werden.
Schülerinnen und Schüler der Sonderschulen werden wohl weiterhin nach der Schule überwiegend in die Sondersysteme von Werkstätten und Bildungsträgern wechseln.
Und damit eigene, exklusive Berufsschulen besuchen.
Inklusiv beschulte Jugendliche mit Behinderungen werden das inklusive Ausbildungsvorbereitungsjahr für sich nutzen können.
Auch wenn diese Maßnahme nicht wirklich inklusiv ist.
Danach allerdings wird für die meisten von ihnen Schluss sein.
Denn:
Der reguläre Berufsschulunterricht ist an einen Ausbildungsplatz gekoppelt.
Den werden Menschen mit stärkeren Einschränkungen aber nicht finden, solange es keine wirklich inklusiven Ausbildungsformen gibt.
Die UN-Behindertenrechtskonvention sagt:
Menschen mit und ohne Behinderungen sollen gemeinsam und gleichberechtigt ausgebildet und weitergebildet werden.
Dieses Ziel wird mit dem neuen Landesaktionsplan nicht erreicht.
Die Berufsvorbereitung an der Berufsbildenden Schule Anlagen- und Konstruktionstechnik bietet Plätze für junge Menschen mit geistiger Behinderung an, die eine Berufstätigkeit im Bereich Haustechnik/ Hausmeisterei/ Gartenpflege ausüben wollen.
Ziel der Berufsvorbereitung ist die Teilqualifizierung für Tätigkeiten als Hausmeisterhelfer sowie für andere handwerkliche Aufgabenbereiche.
Die Berufsvorbereitung an der Fachschule für Sozialpädagogik Altona biete Plätze für junge Menschen mit geistiger Behinderung, die eine Berufstätigkeit in der Kinderbetreuung anstreben.
Ziel der Berufsvorbereitung ist die Teilqualifizierung für Tätigkeiten als Kindertagesheimhelferin.
Die Berufsvorbereitung an der Beruflichen Schule Uferstraße bietet Plätze für junge Menschen mit geistiger Behinderung, die eine Berufstätigkeit im Bereich Hauswirtschaft/ Gastronomie oder im Bereich Haustechnik/ Dienstleistung anstreben.
Das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte bietet Plätze für schulpflichtige Jugendliche mit den Förderschwerpunkten „Sehen“, „Lernen“ sowie „emotionale und soziale Entwicklung“.
In den Projektangeboten „Bistro“ und „Büro“ werden berufsbezogene und lebenspraktische Kompetenzen in den Berufsfeldern „Ernährung und Hauswirtschaft“ sowie „Wirtschaft und Verwaltung“ vermittelt.
In Hamburg startet das neue Startchancen-Programm der Bundesregierung.
Es spült der neuen Schulsenatorin Ksenija Bekeris in den nächsten 10 Jahren insgesamt 215 Millionen Euro in die Kasse.
Mit dem Geld sollen sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler beim Lernen der Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik sowie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden.
Für mehr Bildungsgerechtigkeit und gute Startchancen für alle.
Geld für Bildung an sich ist eine gute Sache.
Gute Bildung bedeutet mehr gesellschaftliche Teilhabe und bessere Lebenschancen.
Das stärkt die Demokratie und sichert die Zukunft unseres Landes.
Allerdings:
Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen werden im bundesweiten Startchancen-Programm – wieder einmal – vergessen.
Gute Startchancen für Menschen mit Behinderungen interessieren die Bundesregierung anscheinend nicht.
Obwohl das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an Bildung für Menschen mit Behinderungen seit 15 Jahren gesetzlich festgeschrieben ist.
Geht es um inklusive Bildung, dann heißt es derzeit von der Bundesregierung:
„Bildung ist Ländersache“.
Gleichzeitig zeigen das Startchancen-Programm und der Digital-Pakt:
Die Bundesregierung kann durchaus Verantwortung übernehmen in Sachen bundesweite Bildung.
So sie denn will.
Seit 4 Monaten warten 140 namhafte Vereine und Verbände und über 1.400 Einzelpersonen vergeblich darauf, dass die Bundesregierung den Offenen Brief #InklusiveBildungJetzt!beantwortet.
In Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit und einer gleichzeitigen Radikalisierung in unserer Gesellschaft ein denkbar schlechtes Zeichen.
Dabei bietet inklusive Bildung den Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit für alle.
Übrigens:
Inzwischen habe ich zwei blaue Briefe geschrieben und verschickt.
An die Bundesminister Hubertus Heil und Bettina Stark-Watzinger.
Eltern erhalten „blaue Briefe“ von der Schule, wenn die Versetzung ihrer Kinder gefährdet ist.
Meine blauen Briefe zeigen meine große Enttäuschung über das Schweigen der zwei Minister.
Es kann und darf nicht sein, dass in einem freiheitlich-demokratischen Land wie Deutschland das Menschenrecht auf Inklusion einfach ignoriert wird.
Wollt ihr auch blaue Briefe nach Berlin schicken?
Alle Informationen dazu und auch einen Beispiel- Brief findet ihr hier:
Lange haben wir auf die Neufassung des Hamburger Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gewartet.
Nun ist sie endlich da.
Allerdings: Das Ergebnis bleibt deutlich hinter den Erwartungen von Menschen mit Behinderungen und deren Familien zurück.
Sie erinnern sich?
Zwischen März 2021 und Juni 2022 hatte die Hamburger Sozialbehörde ein breit angelegtes Beteiligungsverfahren durchgeführt.
Die Sozialbehörde wollte wissen:
Wie kann Inklusion in Hamburg verbessert werden?
Viele Menschen mit und ohne Behinderung haben darauf geantwortet.
Über 1.800 Vorschläge kamen so zusammen.
Dann begann das lange Warten.
Über ein Jahr lang waren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Hamburger Fachbehörden beschäftigt.
Sie haben die über 1.800 Vorschläge gesichtet, geordnet, zusammengefasst, gewichtet und bewertet.
Am Ende übrig blieben 66 konkrete Maßnahmen, verteilt auf 8 zentrale Handlungsfelder.
Das ist nicht gerade viel.
Hinzu kommt:
Auch die Inhalte vieler Maßnahmen sind mager bis enttäuschend.
Einiges deckt sich nicht mit den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention.
Und auch nicht mit den Empfehlungen aus der 2./3. deutschen Staatenprüfung 2023 in Genf.
Mit meiner Kritik bin ich nicht alleine.
Die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, Ulrike Kloiber, mahnt in ihrer Stellungnahme zur Neufassung des Landesaktionsplans 2023:
Bei den meisten Maßnahmen fehlen konkrete Ziele.
Bei den meisten Maßnahmen fehlen konkrete Zeitangaben, ab wann sie beginnen sollen und bis wann sie umgesetzt sein sollen.
Generell fehlen Angaben und Vorschläge, wie sich Eignung und Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen lassen.
Es wird nicht deutlich, welche tatsächlichen Fortschritte Hamburg bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bislang gemacht hat.
Es fehlen konkrete Ansprechpartner, die für die Umsetzung der Maßnahmen zuständig sind.
Auch die Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V. hat sich zur Neufassung des Landesaktionsplans 2023 geäußert.
Sie lobt: Mit dem Beteiligungsverfahren konnten viele Betroffene erstmals ihre Erfahrungen und Forderungen vortragen.
Dann führt sie kritisch an:
Weiterhin bestehen in Hamburg zu viele Hürden für Menschen mit Behinderungen.
Betroffene wünschen sich endlich spürbare Verbesserungen in ihrem Alltag.
Der Landesaktionsplan bleibt hinter den Erwartungen vieler Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen zurück.
In diesem Bericht kommen ausschließlich Menschen mit Behinderungen und deren Selbstvertreter zu Wort.
Sie stellen vor, wie ein inklusives Hamburg in ihren Augen aussehen sollte.
Und sie werden klar und deutlich Stellung beziehen zum jetzt vorgelegten Landesaktionsplan 2023.
Übrigens:
Bereits bei der Vorstellung des Landesaktionsplans 2023 auf der Landespressekonferenz Hamburg war zu spüren, welchen Stellenwert der Hamburger Senat dem Landesaktionsplan und seiner Umsetzung einräumt.
15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland und 11 Jahre nach dem ersten Landesaktionsplan in Hamburg führte Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer tatsächlich an:
„Jetzt bedeutet ein Inkrafttreten nicht immer notwendigerweise, dass man sofort Maßnahmen aus einer gesetzlichen Regelung umsetzen kann.“
Zuvor hatte die Sozialsenatorin den neuen Landesaktionsplan damit beworben, dass auch Menschen ohne Behinderung von den Maßnahmen profitieren würden.
Außerdem erinnerte sie daran: Jeden kann irgendwann eine Behinderung treffen.
Dies zeigt mir:
Der Hamburger Senat hat den Kern der UN-Behindertenrechtskonvention nicht verstanden. Oder er will ihn nicht verstehen.
Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention braucht keine Rechtfertigung.
Sie ist eine Verpflichtung.
Denn es geht um Menschenrechte.
Als Mutter eines Kindes mit Behinderung in Hamburg erwarte ich deutlich mehr von der Hamburger Politik als das, was der Hamburger Senat mit dem neuen Landesaktionsplan 2023 geliefert hat.
Mehr zu einzelnen Inhalten des neuen Landesaktionsplans finden Sie hoffentlich möglichst bald hier in meinem Blog.
Den gesamten Landesaktionsplan 2023 zum Nachlesen finden Sie hier.
Die Frauen und Männer der Ombudsstelle Inklusive Bildung erhalten und bearbeiten jedes Jahr weit über 100 Anfragen von Eltern und Schülern, die Probleme mit der sonderpädagogischen Förderung haben.
Die zentralen Themen dieser Anfragen haben sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert.
Immer wieder geht es um
Probleme bei Nachteilsausgleichen und Förderplanung,
unfreiwillige Schulzeitverkürzungen,
Probleme beim zieldifferenzierten Unterricht,
Probleme bei Schulbegleitungen,
Bildung und Erziehung bei Autismus-Spektrum-Störungen,
Bildung und Erziehung bei Schülerinnen und Schülern mit einer fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD),
Zuweisungen zu Schwerpunktschulen.
Die vielen Anfragen weisen auf ein strukturelles Problem der Inklusion in Hamburgs Regelschulen hin.
Nämlich die nach wie vor nicht selbstverständliche Ausgestaltung und Umsetzung eines individualisierten Unterrichts für alle.
Inklusive Bildung denkt vom Kind aus.
Wo steht ein Kind? Was braucht ein Kind?
Und zwar unabhängig von einer Behinderung.
Ziel der inklusiven Bildung ist es, jedes Kind bestmöglich zu fördern.
Damit es später als erwachsener Mensch selbst bestimmt und möglichst selbständig an unserer Gesellschaft teilhaben kann.
Dies umzusetzen ist herausfordernd.
Es bedeutet zum Beispiel eine individuelle Förderplanung für jedes Kind.
An der alle beteiligt sind: Lehrkräfte, Therapeuten, Beratungskräfte, Schulbehörde, Eltern – und auch das Kind.
Bei dieser Förderplanung müssen Toilettengänge und Schulwege genauso selbstverständlich mitgedacht werden wie Kompetenzen in Mathe, Deutsch und Englisch.
Schule muss zu einem Bildungsort für alle werden.
Mit angepassten Unterrichtsmaterialien.
Mit Rückzugsräumen und reizarmen Lernumgebungen.
Mit Therapieräumen und viel Platz zum Bewegen.
Mit überschaubaren Lerngruppen und multi-professionellen Teams.
Das funktioniert nur mit beweglichen Strukturen. Mit Zusammenarbeit und der Bereitschaft, gemeinsam und voneinander zu lernen.
Und zwar auf allen Ebenen: In der Schule, mit Eltern, mit Verwaltung, mit Wissenschaft und Politik.
Um solch ein lernendes System umzusetzen, braucht es einen klaren politischen Willen.
Doch ob der zur Zeit in unserer Stadt gegeben ist?
Die Frauen und Männer der Ombudsstelle wünschen sich bereits seit 2022 von der Schulbehörde, durch Corona ausgesetzte Arbeitsgruppen und den Beirat Inklusion wieder aufzunehmen.
Der gerade vorgestellte Landesaktionsplan 2023 enthält ein klares Bekenntnis zum Festhalten am Sonderschulsystem.
Außerdem soll die Inklusion nicht in allen Regelschulen gleichermaßen gefördert werden.
Sondern nur in den sogenannten Schwerpunktschulen.
Zwar wird im Landesaktionsplan das Ziel formuliert, „dass der Besuch einer allgemeinen Schule einen Mehrwert gegenüber anderen Schulformen bieten muss – durch konsequent gelebte Inklusion und ein positives Schulerlebnis besonders auch für Menschen mit Behinderungen.“
Allerdings bezweifle ich, dass dies jemals Wirklichkeit wird, solange Hamburg an seinen zwei Schulsystemen (Regelschule und Förderschule) festhält.